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Genozid, Domizid, Ökozid – Wenn Zerstörung zur Strategie wird

Nicht nur Völkermord schockiert die Weltöffentlichkeit. Auch Umweltzerstörung, Bildungskrieg oder die Auslöschung von Städten werden als schwere Verbrechen diskutiert – aber fehlen im Völkerrecht oft noch.

Genozid steht für Völkermord – das ist bekannt. In Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen werden aber noch weitere Vorwürfe erhoben. Und die Zerstörung der Umwelt soll auch als schweres Verbrechen geführt werden. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) erklärt die Begriffe:

: Völkermord oder Genozid wurde in der “Konvention über die Verhütung und Bestrafung von Völkermord” (1948) definiert als Handlungen, die in der Absicht begangen werden, eine “nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören”. Dazu zählen eine gezielte “Tötung von Mitgliedern der Gruppe”, aber auch Handlungen, die auf schwere körperliche oder seelische Schäden abzielen; ebenso unzumutbare Lebensbedingungen, Maßnahmen zur Geburtenverhinderung oder eine “gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe”. Strafbar im Sinne des Völkerrechts ist bereits die Absicht, eine andere Gruppe auszulöschen.

Den Begriff prägte 1944 der polnisch-jüdische Jurist Raphael Lemkin. Das Wort setzt sich zusammen aus “genos” (griech. für Herkunft, Abstammung) und “caedere” (lat. für morden). Völkermord gilt als das schwerste Verbrechen und ist laut Juristen wegen des besonderen Vorsatzes zur Vernichtung einer Gruppe schwer nachzuweisen. Seit den Kriegsverbrechertribunalen von Nürnberg und Tokio 1945 gab es lediglich zwei Urteile wegen Völkermordes: zum Massaker in Srebrenica (Ex-Jugoslawien) im Juli 1995 und zu Ruanda (1994).

: Morde an Frauen in bewaffneten Konflikten werden als nicht-intimer Femizid bezeichnet, um sie von den Morden in persönlichen Beziehungen abzugrenzen. Frauen werden in Konflikten oft mit sexueller Gewalt bestraft, da vergewaltigte Frauen in ihren Gemeinschaften dann geächtet werden. Sexualisierte Gewalt kann als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Kriegsverbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zur Anklage gebracht werden.

: Ein Domizid (von lat. domus, “Haus”, und lat. caedere, “morden”) ist laut Definition der Vereinten Nationen eine systematische und großflächige Zerstörung von Wohnraum und ziviler Infrastruktur, die die kollektive Existenz und soziale Ordnung einer Bevölkerung vernichten soll.

Der unabhängige UN-Experte für Wohnrechte, Balakrishnan Rajagopal, forderte im Oktober 2022 vor der UNO-Vollversammlung, die massive, willkürliche Zerstörung von zivilem Wohnraum in gewaltsamen Konflikten solle als Verbrechen nach internationalem Recht anerkannt werden. Dafür benutzte er den Begriff Domizid.

steht für die systematische Zerstörung eines Bildungssystems; etwa durch Verhaftung, Inhaftierung oder Ermordung von Lehrern und Studenten sowie Zerstörung von Bildungsinfrastruktur. Die Wortschöpfung geht zurück auf die Oxforder Politologin Karma Nabulsi, die den Begriff im Kontext des Gaza-Krieges 2008/09 prägte.

meint eine gezielte Zerstörung von Städten (von lat. urbs, “Stadt”). Mit dem bewussten Auslöschen der städtischen Identität und Infrastruktur soll die Widerstandskraft, Kultur und Lebensfähigkeit einer Gemeinschaft vernichtet werden.

Der Begriff wurde erstmals 1963 von dem Science-Fiction-Autor Michael Moorcock benutzt. Ursprünglich als Beschreibung für die Stadtentwicklung in den USA in Gebrauch, entwickelte sich “Urbizid” als juristisches Konzept im Kontext der Kriege in Ex-Jugoslawien. Auch für die Zerstörungen im Bürgerkrieg in Syrien (Aleppo) oder nach dem russischen Überfall auf die Ukraine (Mariupol) wurde der Begriff benutzt.

bezeichnet die massive und dauerhafte Zerstörung von Ökosystemen, die das Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen unmöglich macht. Der Begriff wurde erstmals 1970 von dem Botaniker Arthur Galston benutzt.

2021 schlug eine internationale Juristengruppe einen konkreten Gesetzestext zur Aufnahme von Ökozid als fünftes Verbrechen im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) vor – neben Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verbrechen der Aggression vor. Der Vorschlag lautet: “Ökozid bedeutet rechtswidrige oder willkürlich begangene Handlungen, die mit Wissen über ein erhebliches Risiko schwerwiegender, weitreichender oder langfristiger Schäden an der Umwelt begangen werden.”