Mit einer großen Kundgebung ist der Marsch der Geisel-Familien von Tel Aviv nach Jerusalem zu Ende gegangen. Der Druck der Straße blieb nicht ohne Erfolg: Mehrere Regierungsvertreter trafen sich mit den Angehörigen.
Rund 240 Geiseln aus Israel sind seit 44 Tagen in Händen islamistischer Terroristen im Gazastreifen. 44 Tage, in denen Regierungsvertreter nichts für sie taten – so jedenfalls sehen es die Familien der Angehörigen. Zuletzt zogen sie fünf Tage lang zu Fuß von Tel Aviv nach Jerusalem. Vor dem Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wiederholten sie am Samstagabend lautstark ihre Forderungen: “Trefft Euch mit uns, schaut uns in die Augen.” Einige Regierungsmitglieder empfingen schließlich die Familien. Ein Treffen mit Netanjahu steht indes weiter aus.
Von Frustration und Wut über Schmerz, Angst und Entschlossenheit reichten die Gefühle, die in der Abschlusskundgebung zum Ausdruck kamen. Israels Regierung habe ihre Bürgerinnen und Bürger im Stich gelassen an jenem verheerenden 7. Oktober. An diesem Tag richtete die Hamas im Süden des Landes ein Massaker mit rund 1.200 Toten an und verschleppte rund 240 Menschen in den Gazastreifen. Es sei an der Zeit, dass die Regierung sich nun an die Seite der Familien stelle und klarmache, dass diese “nicht allein sind und nie wieder alleingelassen werden”.
Er habe die Demo beobachtet, sagte Netanjahu in einer Presseansprache. Die Nähe der Teilnehmer suchte er allerdings nicht. Dennoch betonte er: “Wir marschieren mit euch. Ich marschiere mit euch. Das ganze Volk Israels marschiert mit euch.” Tatsächlich reagierte die Bevölkerung in den vergangenen Tagen mit großer Solidarität auf den Marsch der Angehörigen. Mehr und mehr Menschen beteiligten sich. Am Ende waren es Zehntausende, die ins Jerusalemer Regierungsviertel drängten.
Man wolle von Verhandlungen über Abkommen zu den Geiseln nicht erst aus den Medien erfahren, klagten die betroffenen Familien. Immer neue Meldungen unterschiedlichen Inhalts sorgten für Gefühlschaos. “Es gibt es viele unbegründete Gerüchte, viele falsche Berichte”, sagte Netanjahu dazu vom Verteidigungsministerium in Tel Aviv aus. Bisher gebe es keine Einigung. Aber wenn es etwas zu sagen gebe, werde man den Familien darüber berichten, versprach er.
Berichte über einen möglicherweise bevorstehenden “Deal” über eine Freilassung von Geiseln gegen eine mehrtägige Kampfpause sorgten unterdessen auch am Sonntag für Aufsehen. Von Unterhändlern aus Katar hieß es, es gebe nur noch praktische Fragen zu klären.
Dass ein solches Abkommen auf Zustimmung in der israelischen Bevölkerung träfe, zeigen Stimmen wie die von Abie Moses. Der Vorsitzende einer Terroropfer-Organisation verlor 1987 bei einem Anschlag seine schwangere Frau und seinen fünfjährigen Sohn. “Ich bin bereit, dass der Terrorist, der mir dies angetan hat, freigelassen wird, damit wir die Geiseln nach Hause bringen und sie ihre Lieben umarmen können”, sagte er am Wochenende.
Solche Aussagen lassen offenbar auch Mitglieder des Kriegskabinetts nicht unberührt: Politiker Benny Gantz und der frühere Generalstabschef Gadi Eisenkot trafen sich am Samstagabend mit den Angehörigen. Ein zunächst zugesagtes Treffen mit Verteidigungsminister Joav Gallant wurde verschoben. Stattdessen werde das gesamte Kriegskabinett am Montagabend für ein Treffen zur Verfügung stehen, hieß es am Sonntag.