Artikel teilen:

Geht‘s auch ein bisschen leiser?

Am 3. Dezember läuft der Film „Wie auf Erden“ in Deutschland an. Er führt die Liebesgeschichte des Stardirigenten Daniel aus „Wie im Himmel“ fort – allerdings leider mit einer sehr schlichten, aufdringlichen Botschaft

Um es gleich vorweg zu sagen: Es ist von allem etwas zu viel in diesem Film: Zu viel Lachen und Geheul, zu viel Triumph und Verzweiflung, zu viel Trotz und zu viel Schicksal. Der Film „Wie auf Erden“ soll ein Märchen sein, eine Parabel auf das „Glaub an dich selbst“-Dogma, das der Regisseur Kay Pollak auch als Referent in Lebenshilfe-Vorträgen verbreitet. Leider ist dieses Grundthema einfach zu laut – leise Töne, wie es sie noch in dem erfolgreichen Vorgänger-Film „Wie im Himmel“ gab, sind diesmal nicht vorgesehen.

Diesmal steht Lena im Mittelpunkt, die Geliebte des Star-Dirigenten Daniel. Von den plötzlich einsetzenden Wehen überrascht, gebiert sie das Baby, das sie von dem inzwischen verstorbenen Daniel erwartet, im tiefsten nordschwedischen Winter zuhause. Nur der Pfarrer des Dorfes, Stig, den sie betrunken im Schneesturm aufgegabelt hat, kommt ihr zur Hilfe.
Am nächsten Tag bittet Stig Lena, den Kirchenchor weiterzuführen, der nach Daniels Tod ohne Leiter dasteht. Um das anstehende Konzert zum Kirchenjubiläum, bei dem Händels berühmtes „Halleluja“ aufgeführt werden soll, gibt es dann jede Menge Streit: Der Kirchenvorstand will den alkoholkranken Stig loswerden, ein professioneller Kirchenmusiker möchte die Chorleitung an sich reißen, und auch einige Chormitglieder sind mit Lenas, vorsichtig ausgedrückt, unkonventioneller Art der Probenarbeit nicht zufrieden.
Natürlich trotzt Lena allen Schwierigkeiten, und das „Halleluja“ wird – mit Akkordeon, Tuba und afrikanischen Trommeln – ein Riesenerfolg. Aber was sich in „Wie im Himmel“ immerhin als nachvollziehbare Entwicklung darstellte, bei der Chorleiter Daniel ebenso wie die einzelnen Sängerinnen und Sänger in der Musik Selbstheilungskräfte entdecken und damit ihre eigenen Grenzen überwinden, ist in „Wie auf Erden“ ein Wirbel aus Gefühlsausbrüchen. Ein Knall folgt auf den anderen, ein Vorurteil nach dem anderen wird beiseite gefegt, bis man sich irgendwann einfach nach Ruhe sehnt.
Die schwedische Kirche kommt dabei nicht gut weg. Der süchtige Pfarrer, die bigotte Küsterin, der machtbesessene Kirchenvorstand – all das ist reichlich dick aufgetragene Kritik an einem Glauben, der angeblich immer nur Sünde und Leiden in den Vordergrund stellt. Dass das Entfernen der Kirchenbänke und der Tanz im Gotteshaus als Revolution gefeiert wird, ist Indiz dafür, dass das Kirchenbild des Regisseurs doch wohl eher aus dem 19. Jahrhundert stammt. Schließlich zwinkert Jesus auch noch vom Kreuz herab – man fragt sich unwillkürlich: Hat er diese Form von Befreiung wirklich nötig?
Aber, bei aller Kritik: Die Botschaft der Toleranz und des Leben-Lassens, die der Film so impertinent auf den Punkt bringt, kann in unseren Zeiten vielleicht nicht laut und deutlich genug gesagt werden. Und Frida Hallgren spielt die Lena einfach mitreißend.

Wie auf Erden. Regie: Kay Pollak.Länge: 134 Min. FSK: ab 6 Jahre.