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Gegen Hass und Gewalt

Die Stadt Chemnitz erhält nach den Ausschreitungen bundesweite Unterstützung. EKD-Ratsvorsitzender: Dagegen müssen alle aufstehen. Kundgebung der Kirche auf dem Neumarkt

freier Fotograf

Chemnitz – Kirchen und gesellschaftliche Organisationen reagieren mit Entsetzen auf die fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz, das seit dem gewaltsamen Tod eines 35-jährigen Deutschen beim Stadtfest in der Nacht zum 26. August nicht zur Ruhe kommt. Er war erstochen worden, mutmaßlich von zwei Asylsuchenden. Zwei Tatverdächtige, ein 22-jähriger Iraker und ein 23-jähriger Syrer, sitzen in Untersuchungshaft. Der Vorfall löste zum Teil gewaltsame Demonstrationen aus dem rechten Spektrum aus. Dabei kam es zu Angriffen auf ausländisch aussehende Menschen.
Demonstrationen und Kundgebungen unterschiedlicher politischer Lager mit insgesamt weit über 10 000 Teilnehmern prägten auch eine Woche nach der Bluttat das Stadtbild und sorgten für eine aufgeheizte Stimmung. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort, um neuerliche Ausschreitungen zu verhindern.

Kirchen setzen Zeichen für ein Miteinander

Auf Einladung der evangelisch-lutherischen Kirche demons­trierten am 2. September friedlich knapp 1000 Menschen in der Chemnitzer Innenstadt gegen Gewalt und Fremdenhass. Anlass für die Kundgebung waren die Ausschreitungen in Chemnitz  eine Woche zuvor. Der evangelisch-lutherische Kirchenbezirk in Chemnitz hatte zuvor die gewalttätige Instrumentalisierung der tödlichen Attacke durch radikale Demonstranten auf das Schärfste verurteilt. „Als Kirche sind wir besorgt darüber, dass radikale, gewaltbereite Minderheiten in unserer Gesellschaft das Gewaltmonopol des Staates infragestellen“, hieß es. Es bleibe Aufgabe der staatlichen Behörden, die Vorfälle aufzuarbeiten und Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen.
Die Versammlung am Sonntag stand unter dem Motto „Wir in Chemnitz – aufeinander hören, miteinander handeln“. Der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Carsten Rentzing, rief dabei zum Dialog auf – auch in schwierigen Zeiten. Es gelte, Anstand und Würde zu bewahren und die Botschaft des Friedens weiterzutragen.
Ministerpräsident Michael Kretschmer betonte, die Säulen des Zusammenlebens seien Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Nach der tödlichen Messerattacke von Chemnitz gebe es regelrechte Verschwörungstheorien. Dem und auch dem Vorwurf einer „Lügenpresse“ müsse entgegengetreten werden.
Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) rief den Kundgebungsteilnehmern zu: „Wir sind in der Mehrheit, nicht die Rechtsradikalen.“ Sie wolle allen die Hand reichen, die Sorgen haben und verzweifelt sind, sagte Ludwig.
Der Aufruf der Kirchen zur Demonstration war von zahlreichen Organisationen unterstützt worden, darunter Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Deutscher Gewerkschaftsbund, Jüdische Gemeinde, Caritas und Flüchtlingsrat. Er war das, was Pfarrer Stephan Brenner vom evangelisch-lutherischen Kirchenbezirk Chemnitz gegenüber domradio, dem Hörfunksender des katholischen Erzbistums Köln, mit Bezug auf das spontan initiierte ökumenische Friedensgebet in der Jakobikirche als Reaktion auf die Bluttat und die Folgen „ein Zeichen für Verständigung und des Gebets und des Miteinanders und vor allen Dingen auch der Gewaltlosigkeit“ nannte. Und weiter: „Wir Christen sollten auch deutlich machen, dass Chemnitz auch anders ist und nicht nur aus Rechtsradikalen besteht, die Selbstjustiz üben.“
Nach den Ausschreitungen in Chemnitz hatte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, zum zivilen Engagement aufgerufen. „Da müssen wir alle, egal wo wir sind, egal in welchem Teil Deutschlands wir leben, aufbegehren und klar sagen: So etwas geht nicht“, sagte Bedford-Strohm dem Radiosender Bayern 2. Chemnitz sei eine weltoffene Stadt mit Menschen aus aller Welt. Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) rief die Zivilgesellschaft ebenfalls zu mehr Engagement auf.

Demokratie, Rechtsstaat, Pressefreiheit verteidigen

Der Generalsekretär des Zen­tralkomitees der deutschen Katholiken, Stefan Vesper, hat angesichts der fremdenfeindlichen Demonstrationen in Chemnitz dazu aufgerufen, die Demokratie, den Rechtsstaat und die Pressefreiheit zu verteidigen. „Da, wo die Christen stark sind, sind die Radikalen schwächer“, sagte Vesper dem Bonner „General-Anzeiger“. Er sprach sich dafür aus, sich nicht nur zum Glauben und zum liturgischen Geschehen zu bekennen, sondern auch zu den Grundwerten, die aus dem Glauben folgten.
„Deswegen sehen wir es als unsere Aufgabe an, auch dort Gesicht zu zeigen, wo wir in der Minderheit sind“, sagte der Präsident der katholischen Laienorganisation mit Blick auf den verschwindend geringen Anteil katholischer Christen unter den Chemnitzern. Gerade in einer Stadt wie Chemnitz würden die Katholiken immer auch mit allen Menschen guten Willens zusammenarbeiten und die Gegner der Demokratie entschieden bekämpfen. Er forderte, Werte wie die Gastfreundschaft für Fremde und die Hilfe für sozial Schwache zu schützen. epd/KNA/UK