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Amnesty: „Gefangenenaustausch mit bitterem Beigeschmack“

Mehrere Inhaftierte sind bei einem internationalen Gefangenenaustausch freigelassen worden. Auch ein in Belarus zum Tode verurteilter, aber begnadigter deutscher Staatsbürger kam frei.

Evan Gershkovich arbeitet für das Wall Street Journal
Evan Gershkovich arbeitet für das Wall Street JournalImago / ITAR-TASS

Der in Russland zu 16 Jahren Haft verurteilte US-amerikanische Journalist Evan Gershkovich ist frei. Er sei bei dem größten Gefangenenaustausch seit Ende des Kalten Krieges freigekommen, berichtete Gershkovichs Arbeitgeber, das „Wall Street Journal“ (WSJ), auf seiner Webseite.

Bei der Aktion in der türkischen Hauptstadt Ankara seien insgesamt 24 Gefangene aus mindestens 6 Ländern ausgetauscht worden, hieß es in der in New York erscheinenden Zeitung weiter. Darunter seien der britisch-russische Dissident und Pulitzer-Preisträger Wladimir Kara-Mursa, sowie der in Deutschland verurteilte Russe Vadim Krassikow, bekannt auch als sogenannter Tiergarten-Mörder.

Die Bundesregierung habe sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, bestätigte am Donnerstagabend, dass Krassikow „abgeschoben und nach Russland überstellt“ wurde. Es sei in „enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und europäischen Partnern“ am Donnerstag „gelungen, die Freilassung von 15 Personen zu erreichen, die unrechtmäßig in Russland in Haft saßen sowie eines deutschen Staatsangehörigen, der in Belarus zum Tode verurteilt worden war“.

Die Bundesregierung habe sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht, unterstrich Hebestreit. „Dem staatlichen Interesse an einer Vollstreckung der Freiheitsstrafe eines verurteilten Verbrechers standen die Freiheit, das körperliche Wohlergehen und – in einigen Fällen – letztlich auch das Leben unschuldig in Russland inhaftierter Personen und zu Unrecht politisch Inhaftierten gegenüber.“ Die Schutzverpflichtung gegenüber deutschen Staatsangehörigen sowie die Solidarität mit den USA seien wichtige Beweggründe für den Austausch gewesen. Hebestreit rief die russische sowie die belarussische Führung zur Freilassung aller anderen zu Unrecht politisch Inhaftierten auf.

DJV: Martyrium von Evan Gershkovich hat ein Ende

Gershkovich war Mitte Juli in Russland wegen angeblicher Spionage zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil des Gerichts in Jekaterinburg fiel nach nur drei Verhandlungstagen. Das WSJ bezeichnete sämtliche Anschuldigungen damals und auch jetzt erneut als falsch. Der heute 32 Jahre alte Reporter war im März 2023 festgenommen worden und hatte zunächst im Moskauer Lefortowo-Gefängnis in Untersuchungshaft gesessen. Das Urteil gegen ihn löste international scharfe Kritik aus.

Mit Erleichterung, aber auch Sorge und Kritik, reagierten nun Journalistenorganisation sowie Amnesty International. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Mika Beuster, sagte, er „freue sich riesig, dass das Martyrium von Evan Gershkovich ein Ende findet“. Er sprach von einem „reinen Willkürurteil, das der Einschüchterung von Journalistinnen und Journalisten in Russland dienen sollte.“

„Reporter ohne Grenzen“: Freilassung von Inhaftierten „längst überfällig“

„Reporter ohne Grenzen“-Geschäftsführerin Anja Osterhaus nannte die Freilassung von Gershkovich und anderen willkürlich Inhaftierten „längst überfällig“, erinnerte aber an mehr als 40 russische Medienschaffende, die weiterhin hinter Gittern säßen. Sie warnte außerdem, der Austausch von Medienschaffenden sei „ein problematisches Vorbild für künftige Erpressungsversuche durch Russland“.

Bei Amnesty International war von einem „Gefangenenaustausch mit bitterem Beigeschmack“ die Rede. Bei aller Erleicherung warf Christian Mihr, stellvertretender Generalsekretär von Amnesty in Deutschland, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, er instrumentalisiere „augenscheinlich Recht und Gesetz, um mit politischen Gefangenen als Faustpfand seine Interessen zu durchzusetzen“.