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Ganz weit weg

Die Welt ist voller Wunder  – und riiiiesengroß – vor allem, wenn man erst drei Jahre alt ist. Er fahre in den Sommerferien zu Opa und Oma, erzählt der Junge freudig-erregt und fügt mit großen Augen hinzu, dass die „gaaaanz weit weg“ wohnen. Nein, nicht in Deutschland. Noch viel weiter weg. Ob er denn wisse, wie das Land heißt, oder die Stadt, in der die Großeltern wohnen? Ja, strahlt er: Bielefeld.
Nicht etwa in München oder Flensburg hat sich dieser Dialog zugetragen, an Orten also, wo man vielleicht noch behaupten kann, dass Bielefeld (das es ja streng genommen gar nicht gibt) „gaaaanz weit weg“ ist. Zugetragen hat er sich – na wo wohl? – in Bielefeld. Zugegeben, in einem Stadtteil im Süden, aber eben doch in Bielefeld.

Distanzen und Größenverhältnisse – aus den Augen eines Kindergartenkindes stellen sich solche Denk-Kategorien eben deutlich anders dar als aus den Augen eines Erwachsenen.
Ich weiß noch genau, dass mir erst als Studentin bei einem Besuch im Elternhaus auffiel, dass der heimische Garten in Wirklichkeit wesentlich kleiner war als ich ihn aus Kindheitstagen in Erinnerung hatte. Je älter (und größer) ich wurde, desto mehr schrumpften der Garten und der „riiiesige“ Birnbaum in seiner Mitte auf Normalmaß. Und mit ihm der kindliche staunende Blick auf die Welt.
Schade eigentlich. Zauber, Geheimnisse, Wunder – die gibt es für uns Erwachsene kaum noch, weil wir (fast) alles irgendwie erklären, messen, definieren können.
Unser dreijähriger Urlauber weiß davon zum Glück noch nichts. Tokio, Rom, New York oder – Bielefeld. Das ist für ihn ganz egal. Für ihn steckt das Leben noch voller Überraschungen. Überall.