Der ehemalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) geht davon aus, dass auf Europa harte Zeiten zukommen. „Bei weitem nicht so hart, wie die Zeiten, die unsere Eltern und Großeltern in der Nachkriegszeit erlebt haben, aber eben auch nicht so lässig und einfach, wie in den letzten Jahren“, sagte Gabriel dem in Wolfenbüttel erscheinenden Magazin „Evangelische Perspektiven“ der braunschweigschen Landeskirche. Politik, Wirtschaft und Medien müssten sich darüber im Klaren sein, dass sie in dieser Situation eine große Verantwortung trügen.
Wichtig ist es Gabriel zufolge vor allem, dass Deutschland wirtschaftlich wieder stärker wird. Vor allem die ökonomische Leistungsfähigkeit habe Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten attraktiv gemacht.
Eine Refokussierung auf Wettbewerbsfähigkeit und bessere Bedingungen insbesondere für Mittelstand und Industrie seien die Voraussetzung dafür, dass „Deutsche und Europa in der Welt Einfluss ausüben und nicht herumgeschubst werden“. Ein wirtschaftlich starkes Deutschland und Europa sei auch für den designierten US-Präsidenten Donald Trump interessant. „Wenn wir aber schwächer werden, wird er uns nicht ernst nehmen“, sagte Gabriel. Es sei wichtig, in den USA zu investieren, „statt sich in der Verachtung von Donald Trump wohlzufühlen“.
Zum Rechtsruck in Deutschland sagte Gabriel, es hänge von der Qualität der künftigen Bundesregierung ab, ob die AfD weiter wachsen werde. Noch sei es nicht so weit, doch ein Blick nach Europa zeige, dass es viele rechte Bewegungen gebe, die an Zulauf gewinnen.
Niemand solle davon ausgehen, dass die liberalen und politischen Erfolge in Deutschland und Europa nicht umkehrbar seien, warnte der 65-Jährige: „Wenn wir nicht aufpassen, dann zeigt sich auch an Europa, dass dieses wunderbare Projekt dekonstruierbar ist.“
Sigmar Gabriel war bis 2018 Bundesaußenminister und Vizekanzler. Er hatte zudem das Amt des Bundeswirtschaftsministers und Bundesumweltministers inne und war Ministerpräsident in Niedersachsen. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Atlantik-Brücke, einem Netzwerk für transatlantische Zusammenarbeit. Gabriel lebt in Goslar am Harz.