Provokation statt Gebet: Fronleichnam galt lange Zeit als Reizthema zwischen Katholiken und Protestanten. Warum das so war – und wie es heute an der Streitfront aussieht.
Ist Fronleichnam ein innerchristlicher Kampftag? Noch Mitte des vergangenen Jahrhunderts war das in Deutschland vielerorts der Fall. So gibt es Berichte von evangelischen Landwirten, die neben katholischen Festtags-Prozessionen demonstrativ ihren Kuhmist aufs Feld brachten. Die Katholiken sollen es in der “guten alten Zeit” mit gleicher Münze heimgezahlt und stattdessen an Karfreitag die Wiesen gedüngt haben – in dem Wissen, dass Protestanten an diesem stillen Feiertag jede Arbeit ablehnen. Heute scheint diese geruchsintensive Streitführung zum Glück vorbei. Denn statt das Trennende zu betonen, gibt es zahlreiche Beispiele für gelebte Ökumene, also für Verbundenheit von Christen verschiedener Konfessionen.
Fronleichnam feiert die katholische Kirche immer am zweiten Donnerstag nach Pfingsten. An diesem Tag demonstrieren Katholiken öffentlich ihren Glauben. Dabei drücken sie die Überzeugung aus, dass Gott in Brot und Wein unter ihnen ist. Als sichtbares Zeichen wird eine geweihte Hostie in einem verzierten Schaugefäß, einer Monstranz, feierlich durch die Straßen getragen. Der Name Fronleichnam bedeutet so viel wie “Hochfest des Leibes und Blutes Christi”. Er leitet sich ab aus dem Mittelhochdeutschen. Dabei steht “vron” für Herr und “licham” für Leib.
Wie aber konnte das Fest zum konfessionellen Streitthema werden? Der Grund liegt in der unterschiedlichen theologischen Auffassung des Abendmahls. Die Katholiken glauben, Jesus sei beim Sakrament der Eucharistie unter ihnen und bleibe es auch danach in Form der Hostien, die in katholischen Kirchen dann als “Allerheiligstes” aufbewahrt werden.
Bei Protestanten wird beim Abendmahl eher der gemeinsame Bekenntnis- und Gedächtnischarakter betont – die kurzzeitige oder dauerhafte Präsenz Jesu wird in vielen evangelischen Kirchen nicht angenommen. Dass die Katholiken ihre eigene Abendmahl-Auffassung am “Fest des Leibes und Blutes Christi” teils prunkvoll öffentlich zelebrieren, wurde früher von manchem Protestanten als Provokation wahrgenommen.
Heute wird an dem katholischen Feiertag vielerorts versucht, Gemeinsamkeiten zu betonen. Aus der ganzen Bundesrepublik gibt es in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Beispiele für ökumenische Feiern.
Im nordrhein-westfälischen Moers berichtete etwa 2019 die “Rheinische Post” über zwei evangelische Pfarrerinnen, die an einem katholischen Fronleichnamsgottesdienst teilnahmen. Ähnliche Veranstaltungen gab es 2017 im 500. Jahr der Reformation, mit gemeinsamen Gebeten oder Prozessionen in Düren, Essen, Leverkusen oder Schwäbisch-Gemünd in Baden-Württemberg.
Sehr prominent wurde 2024 eine gemeinsame Fronleichnamsfeier auf dem Katholikentag in Erfurt begangen – unter Beteiligung bekannter Protestanten, wie dem damaligen Ministerpräsidenten von Thüringen, Bodo Ramelow (Linke). Eine Liste, die lange weitergeführt werden könnte.
Ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) erklärte, das Fest werde heute nicht mehr als gegen die Protestanten gerichtet wahrgenommen. Noch immer feierten Katholiken mit der Fronleichnamsprozession öffentlich Christi Gegenwart im Abendmahl. Und mit eben diesem Abendmahl habe Jesus die Gemeinschaft im Glauben gegründet und erhalte sie. Die Katholiken zeigten außerdem, wie sie als Gemeinschaft unterwegs sind und sich an Welt und Natur erfreuen. “Das alles sind Aspekte, die auch in der evangelischen Kirche wichtig sind”, so der Sprecher.