Predigttext
3 Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? 4 So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln. 5 Denn wenn wir mit ihm zusammengewachsen sind, ihm gleich geworden in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. 6 Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen. 7 Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. 8 Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.
Wasser. Ein Naturelement – kostbar, lebensspendend, aber auch: mitreißend, überwältigend, zerstörerisch. Schon als kleines Kind hat dieses Element Wasser mich unsagbar fasziniert: der salzige Geruch des Meeres, das sanfte Plätschern des Baches, die Gischt der donnernden Flut. Ich konnte gar nicht schnell genug mit den Füßen im Wasser sein, mit der Hand aus der Quelle schöpfen.
Und gleichzeitig war – und ist! – da immer ein Gefühl des unbedingten Respekts vor diesem urgewaltigen Element der Schöpfung, das seinen eigenen Rhythmus hat, der unserem Zugriff entzogen ist. Wasser – lebensnotwendig und bedrohlich zugleich.
Drastisches Bild von Paulus
„Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?“ Im Wasser der Taufe ertrinkt der alte Mensch, stirbt, geht unter.
Als junge Theologiestudierende mochte ich dieses drastische Bild von Paulus überhaupt gar nicht. Die Vorstellung, dass „der alte Mensch“ – also der Mensch ohne Beziehung zu Gott, der Gott-lose – vernichtet wird, war mir zu überwältigend, zu mächtig und zu zerstörerisch. Kann denn ein Untergang gut und lebensstiftend sein?
Etliche Jahrzehnte an Lebenserfahrung später weiß ich heute: Ja, ein Untergang, ein Abschied, ein Loslassen kann neues Leben freisetzen. Viele Lebensgeschichten erzählen, dass erst das Loslassen einer alten Angst, einer Enttäuschung oder Verletzung einen Neuanfang möglich macht.
So ist es auch in der Taufe: Abgewaschen durch das Wasser geht unter, was uns von Gott trennen könnte. Was uns im Weg steht zu einem erfüllten Leben: die Zweifel und Ängste, die Ansprüche, die andere an mich stellen und ich an mich selbst. Abgewaschen. Die Ungeduld und Unbarmherzigkeit, die Lieblosigkeit und der Egoismus.
In der Taufe liegt eine Macht
Ich wünsche mir, dass sie untergehen! Der Streit und die Selbstgerechtigkeit und die Bereitschaft zur Gewalt – in der Taufe wird wahr, dass sie keine Macht über uns haben, weil ein anderer Macht über uns hat. Wasser wäscht rein – wir sind den Dunkelheiten, die in der Welt und in uns wohnen, nicht ausgeliefert.
Wasser – todbringende Flut und lebensstiftende Quelle. Stärkend und erfrischend, belebend und klar. Getauft in Jesu Tod – und auch: getauft mit ihm zu neuem Leben. Der, an den wir uns binden, verbündet sich mit uns. Nimmt uns mit in eine neue Lebenswirklichkeit, die von Liebe und Barmherzigkeit spricht, die das Lied der Hoffnung singt und in der Gott gegenwärtig ist.
Wir sind – oder werden – somit hineingetauft in Freiheit und Verantwortung zugleich. In dieser Welt, die so gezeichnet ist von Macht und Gier, werden wir getauft in die wunderbare Freiheit, unser Leben anders zu gestalten. Sich zum Beispiel Wertschätzung nicht erst erarbeiten zu müssen, sondern fröhlich darauf vertrauen zu dürfen, dass ich schon wertgeschätzt bin. Angenommen und geliebt, weil ich Gottes Kind bin.
Wir sind hineingetauft in die Freiheit, „Nein“ zu sagen: zu Mobbing und Hass-Kommentaren, zu Spiralen von Streit und Rachegedanken und überall da, wo Menschen gedemütigt oder ihrer Würde beraubt werden. Sicher, das ist auch eine große Verantwortung und ich weiß, dass wir dieser Verantwortung gewiss nicht immer gerecht werden. Ihr gar nicht gerecht werden können – auch beim besten Willen nicht. Aber auch das ist aufgeschlossener Freiraum: dass auch mein Scheitern aufgehoben ist. Dass Gottes Taufzusage unverrückbar gilt: Ich bin mit dir.
Ich bin mit dir – damit kann das kleine Baby, das getauft wird, groß werden. Ich bin mit dir – das kann Eltern entlasten und trösten, wenn sie sich fragen, wie es ihrem Kind wohl ergehen wird im Leben. Ich bin mit dir – daran darf sich die Erwachsene erinnern, wenn das Leben schwer ist und die Gedanken verzweifelt sind. Ich bin mit dir – das gilt auch am Ende unseres Lebens und über dieses Ende hinaus.