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Franz-Marc-Museum widmet sich der “Moderne im Zoo”

Papageien, Tiger und Bären geben sich derzeit ein Stelldichein im Franz-Marc-Museum. Sie und andere tierische Gesellen stehen im Mittelpunkt von Kunstwerken der Moderne. Eine neue Schau spürt dem Phänomen nach.

Tierisch geht es derzeit im Franz-Marc-Museum im oberbayerischen Kochel zu. Bis 9. November ist dort eine Sonderausstellung dem Thema “Die Moderne im Zoo” gewidmet. Mehr als 170 Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Plastiken, Plakate und Bücher von rund 50 Künstlerinnen und Künstler sollen verdeutlichen, wie wichtig Zoos um 1900 waren – für die ganze Gesellschaft.

Die Kulturschaffenden suchten im Tierpark nach neuen Impulsen abseits akademischer Traditionen und nach einer vermeintlich ursprünglichen Natur. Zoologische Gärten waren nicht nur für Touristen attraktiv, sondern auch zentrale Orte des städtischen Lebens. Hier verschwammen die Grenzen zwischen Natur und Kultur, Wildnis und Zivilisation.

Die Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809-1882) hatte die klare Trennung zwischen Mensch und Tier erschüttert. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Tiere Gefühle und Intelligenz besitzen, sensibilisierten die Künstler für das Tier als echtes Gegenüber. Nicht zuletzt deshalb zog es sie auf der Suche nach interessanten Motiven und Formen in die neu entstandenen Tierparks. Fragen nach Kontrolle, Zähmung, Nähe und Distanz bestimmten die Auseinandersetzung.

Zoos entwickelten sich im 19. Jahrhundert zu den meistbesuchten öffentlichen Einrichtungen in Europa. Dort konnten nicht nur Tiere aus aller Welt bestaunt werden. Schattige Alleen luden zu Spaziergängen ein, dazu kamen Unterhaltungsdarbietungen mit Dressurvorstellungen, Konzerten und Tanzbällen. Inmitten wachsender Großstädte war so ein Zugang zur “wilden Natur” geboten, die zugleich kontrolliert, katalogisiert und inszeniert war.

Das Interesse der Künstler am Tierstudium war eine treibende Kraft hinter den Zoogründungen. Franz Stuck gehörte zu jenen, die ab 1907 in München mit gemalten Postkarten, Künstlerfesten und Ausstellungen dafür warben, einen Tierpark zu errichten. 1911 öffnete Hellabrunn seine Pforten, eingebettet in die Auenlandschaft der Isar.

Früher hockten in Zoos bunte Papageien angekettet auf Stangen in den Alleen und begrüßten die Besuchenden mit ihren lauten Rufen, wie ein Bild von Max Liebermann zeigt. In einem Gemälde von August Macke bewegen sich Mensch und Tier auf engstem Raum nebeneinander, frei von Gittern oder anderen trennenden Hürden.

Das Kapitel “Großstadtzirkus” zeigt, wie der Mensch Tiere in Menagerien und im Zirkus als Spektakel inszenierte. In Paul Meyerheims Bild “In der Tierbude” reißt ein Matrose einem Krokodil das Maul weit auf, während das Publikum sich gaffend dem Nervenkitzel hingibt. Vorstellungen mit bunt gekleideten fremdländischen Bediensteten sollten den Besuchenden das Gefühl vermitteln, einer höheren Stufe der Zivilisation anzugehören – und damit auch die europäische Kolonialpolitik rechtfertigen.

Franz Marc forderte damals ein “Sich-Hineinfühlen in Natur und Tiere, um sie nicht so abzubilden, wie der Mensch sie sieht, sondern wie sie selbst die Welt ansehen und ihr Sein fühlen”. Das kommt in seinen vielen bunten Tierbildern zum Ausdruck: Idyllen und Traumwelten, “Paradiesgärten” und Ruheinseln, wo Mensch und Tier sich angstfrei und in Harmonie begegnen können.

Die Bilder erzählen Geschichten: Ein knurrender Tigerlöwe scheint bei Oskar Kokoschka beinahe aus dem Bild zu springen; ein bronzenes Elefantenkalb von Renée Sintenis richtet sich schon wenige Minuten nach der Geburt mit seinen Vorderbeinen mühsam auf; teils interessiert, teils blasiert wendet sich in dem Gemälde “Affen als Kunstrichter” von Gabriel von Max eine Horde Affen einem Bild zu, von dem der Betrachter nur den goldenen Rahmen sieht; herzerweichend dagegen, wie drei Braunbären hinter dicken schwarzen Käfigstäben in einem Bild von Adolph von Menzel dreinschauen.

Bis heute sind Zoos ambivalente Orte im Spannungsfeld zwischen der Zurschaustellung von Tieren und deren Schutz und Erhaltung. In seinem Gemälde “Der Orang-Utan ‘Seemann’ und sein Wärter” (1901) porträtiert Max Slevogt Mensch und Tier als gleichberechtigte Wesen. Vielleicht wäre dies der richtige Umgang aller Geschöpfe miteinander?