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Forscherin: Depressionen bei Männern entstigmatisieren

Depressionen bei Männern werden nach Angaben der Psychiaterin Anna Maria Möller-Leimkühler weiterhin zu selten erkannt und behandelt. So wiesen Frauen zwar rund doppelt so viele diagnostizierte Depressionen auf wie Männer, es sei aber von einer “großen Dunkelziffer” an erkrankten Männern auszugehen, sagte die Expertin für Sozialwissenschaftliche Psychiatrie der Universität München am Mittwoch in Berlin. Möller-Leimkühler warb für eine Entstigmatisierung von Depressionen als “typisch weibliche Erkrankung”.

Eine Nicht-Behandlung von Depressionen bei Männern könne gravierende Folgen haben – bis hin zu einem erhöhten Suizidrisiko, warnte die Psychiaterin. Insbesondere bei der Suizidrate zeige sich der Unterschied zwischen den Geschlechtern: So starben auf diese Weise 2021 in Deutschland insgesamt 9.215 Menschen, davon 6.805 Männer. Demnach sind 65 bis 90 Prozent aller Suizide durch oft unentdeckte Depressionen bedingt. “Je früher eine Depression erkannt und behandelt wird, desto besser ist es. Sonst kann sie tödlich sein, das ist aber den wenigsten bewusst”, mahnte die Expertin.

Dass die Erkennungs- und Behandlungsrate von Depressionen bei Männern dennoch deutlich niedriger ist, führt die Wissenschaftlerin auch auf tradierte Männlichkeitsbilder und Stereotype zurück. “Männer haben eigentlich keine Beschwerden, und wenn sie Beschwerden haben, werden sie normalisiert”, erklärte Möller-Leimkühler. “Der Mann muss funktionieren, und Gesundheit ist das Fehlen von Krankheit. Krankheit ist Schwäche.”

Hauptauslöser für Depressionen sind der Psychiaterin zufolge Stress und Überbelastung. Diese stünden bei Männern oft im Kontext von Arbeit. So erhöhe eine Arbeitsbelastung von regelmäßig mehr als 60 Wochenstunden das Risiko für Depressionen stark. Auch Ängste um einen Verlust der Arbeitsstelle sowie andere Faktoren, die zu einem sozialen Abstieg führen könnten, seien bei Männern ausgeprägter.

Auch zeigten Männer in Stresssituationen andere Verhaltensmuster. Statt darüber zu sprechen, zögen sie sich oft zurück, neigten eher zu aggressivem oder Suchtverhalten. Das lässt sich laut Möller-Leimkühler auf eine evolutionäre Erfolgsorientierung zurückführen. Vor diesem Hintergrund hätten Männer “weniger Differenzen mit Schimpansen, als sie mit Frauen haben”.

Möller-Leimkühler äußerte sich im Rahmen der Fachtagung “Erfolgreich, männlich – ausgebrannt – Psychische Erkrankungen bei Männern” des Sozialdienstes Katholischer Männer (SKM).