Bibel, Wahlkampf, Abschiebung: US-Politiker nutzen den Glauben mitunter für ihre Agenda. Das hat Folgen, vor denen Franziskus ebenso warnte wie Beobachter aus Deutschland.
“Eine allzu große Nähe zwischen Religion und Politik tut der Kirche langfristig nicht gut”: Diese Beobachtung schildert der Religionssoziologe Detlef Pollack in einem Gastbeitrag für die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” (Dienstag). “Wenn J. D. Vance seine Konversion zum Katholizismus medienwirksam zelebriert oder Trump mit der Bibel in der Hand Wahlkampf betreibt, entsteht der Eindruck, dass Religion politisch instrumentalisiert wird”, so der Forscher.
Noch am Ostersonntag hatte Vance den Papst getroffen, bevor dieser am Montag im Alter von 88 Jahren verstarb. Der US-Vizepräsident erklärte: “Ich habe mich gefreut, ihn gestern zu sehen, obwohl er offensichtlich sehr krank war.” Die Zusammenkunft hatte laut Vatikan-Angaben “einige Minuten” gedauert; Papst und Vance hätten Ostergrüße ausgetauscht.
Zuletzt war es bezüglich des Themas Migration zu Spannungen zwischen Vatikan und Washington gekommen. Der Papst hatte in einem Brief die Abschiebungen von Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere unter der neuen US-Regierung scharf kritisiert. Ohne den Vize-Präsidenten namentlich zu nennen, wies Franziskus dessen Aussage, US-Amerikaner müssten sich zuerst um ihre Familien und ihr Land kümmern, entschieden zurück und verwies auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Darin gehe es um Geschwisterlichkeit, die allen ohne Ausnahme offenstehe.
Pollack warnt unterdessen auch die Kirche davor, sich einer Partei anzudienen: So bringe sie “diejenigen, die auf der anderen Seite stehen, zwangsläufig gegen sich auf. Das heißt nicht, dass politische Stellungnahmen der Kirche schaden, sofern sie einen überparteilichen Standpunkt einnimmt.” Eine Involvierung in parteipolitischen Streit sehe dagegen nur vorübergehend “wie ein gesellschaftlicher Relevanzgewinn” aus und verkehre sich “früher oder später in Skepsis und in die misstrauische Frage, ob die Kirche mit ihrer politischen Stellungnahme ihr Konto nicht überzogen hat”.
Trotz der “politischen Vitalität” sei der Anteil von Katholikinnen und Katholiken in der US-Bevölkerung in den vergangenen 20 Jahren gesunken, so der Experte weiter. Fast ein Drittel zähle inzwischen zu den “Nones”, also Konfessionslosen. Mitunter gäben moderat oder liberal eingestellte Menschen ihre religiöse Bindung auch aus politischen Gründen auf: weil sie sich nicht mit den Republikanern identifizierten.