Artikel teilen

Forscher: Sprache über Migration von vielen Seiten beeinflusst

Dass sich bestimmte Worte durchsetzen und andere nicht, ist aus Sicht von Fachleuten kein Zufall. Ein Sonderforschungsbereich untersucht dies im Hinblick auf ein brisantes Themenfeld – die Migration.

Für eine kritische Begleitung der Politik ist es nach Worten eines Forschers wichtig zu verstehen, wie Begriffe rund um Migration geprägt und beeinflusst werden. Beispiele dafür seien Fragen wie: “Warum wird eine in Deutschland lebende Schwedin nicht Migrantin genannt, in Deutschland geborene Enkel türkischer Einwanderer aber schon? Welche Folgen hat das für den Alltag der Betroffenen und für die Gesellschaft?” Das erklärte Andreas Pott im Interview der “Welt” (Dienstag).

Der Sozialgeograf ist Sprecher eines Sonderforschungsbereichs an der Universität Osnabrück, der diese Entwicklungen untersucht. Es gehe um gesellschaftliche Aushandlungen, sagte Pott. “Migration wird in einem hochumkämpften Prozess, an dem unterschiedliche Akteure beteiligt sind, thematisiert und dethematisiert, problematisiert und deproblematisiert.”

Beteiligt seien neben Medien, Politik, Wissenschaft und den Betroffenen auch Verwaltung und Gerichte, Hilfsorganisationen, Aktivisten und Meinungsforschende. “Interessanterweise wird zwar häufig mit ähnlichen Begriffen gearbeitet, aber die Begriffe sind inhaltlich doch oft ganz unterschiedlich aufgeladen.”

Dabei entstünden bestimmte Schlagworte nicht zufällig, sagte der Experte. “Es erfordert Investitionen in Form von Arbeit und Beharrlichkeit, damit Menschen oder Kollektive als Illegale und Integrationsverweigerer gedeutet werde oder als Schutzbedürftige, Minderheiten und potenzielle Fachkräfte einer Einwanderungsgesellschaft.”

Wenn sich die Bedeutung von Begriffen und Kategorien verschiebe, habe dies weitreichende, auch praktische Folgen. Besonders interessant seien “Kipppunkte” in der öffentlichen Wahrnehmung wie die Kölner Silvesternacht 2015/16, fügte Pott hinzu. “Wir vergleichen die positive Aufladung der Migration, die ihre Potenziale betont, mit der Problemorientierung, die eine restriktivere Abwehrhaltung fördert.”