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Forscher: So verschwinden Themen von der medialen Tagesordnung

Redaktionen wie Verbraucherinnen und Verbraucher sind nach Einschätzung von Forschenden am sogenannten Agenda Cutting beteiligt. Der Begriff beschreibt, wie Medien manche Themen kaum beachten oder aktiv ignorieren, wie der Kommunikationsforscher Hektor Haarkötter am Wochenende in Bonn erklärte. So gebe es bestimmte “main stories”, darunter die Haushaltsberatungen der Bundesregierung oder die neuerliche Suche nach dem Ungeheuer von Loch Ness, die überall präsent seien. Andere Themen, auch solche mit größerer Relevanz, schafften es dagegen kaum in die Medien.

Die Ursachen dafür seien vielfältig, erläuterte Haarkötter. So seien prominente Akteure etwa aus Sport und Politik in der medialen Berichterstattung überrepräsentiert. Damit würden auch stereotype Erwartungen bestätigt: So gebe es deutlich mehr Beiträge über das US-Hollywood- als über das indische Bollywood-Kino, obwohl Indien das bevölkerungsreichste Land der Erde sei.

Auch kämen ganze Kontinente, insbesondere Afrika, in den deutschsprachigen Medien kaum vor, mahnte der Wissenschaftler. “Es sei denn, es gibt dort eine Naturkatastrophe – aber auch die darf nicht zu weit weg sein.” Zudem fänden kontinuierliche Prozesse wenig Aufmerksamkeit: “Wenn ein Bürgerkrieg in Syrien ausbricht, berichten alle – wenn er aber nicht schnell zu Ende geht, lässt die Berichterstattung nach.” Gewaltsame, kontroverse Tatsachen würden überbetont, komplexe Zusammenhänge dagegen zu selten erläutert. Redaktionen seien daher gefordert, “nicht immer nur über Promis und Konflikte zu berichten”, sondern neue Perspektiven zu suchen und eine thematische Vielfalt zu gewährleisten.

Es gebe allerdings auch ein “Agenda Cutting von unten”, fügte der Experte hinzu. So verbrächten die Menschen in Deutschland laut Studien zwar täglich 424 Minuten mit Medien, allen voran mit dem Fernsehen. Eine wachsende Zahl von Konsumierenden suche jedoch nicht mehr aktiv nach Informationen, sondern nehme diese zwischendurch auf oder gehe irrtümlicherweise davon aus, “dass sie relevante Nachrichten auf den diversen Social-Media-Kanälen automatisch zu Gesicht bekämen”. Haarkötter äußerte sich auf dem “b°future festival für Journalismus und konstruktiven Dialog”.