Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch wirft der deutschen Milchindustrie vor, viel stärker zur Klimakrise beizutragen als behauptet. Mit reichweitenstarker Werbung auf Tiktok und Co., eigenen Webseiten und Aktions- und Lehrmaterialen für Kitas und Schulen versuche die Milchindustrie gezielt, die negativen Auswirkungen der Milchproduktion zu verharmlosen, kritisierte die Foodwatch-Expertin Annemarie Botzki in Berlin. Tatsächlich verursachten Milch und Milchprodukte jedoch rund dreimal so hohe Klima-Emissionen wie pflanzliche Alternativen, wie ein neuer Foodwatch-Report zeige.
Darin heißt es unter anderem, die „Milchlobby“ behaupte zwar gerne, die gesamte Tierhaltung in Deutschland sei für nur fünf Prozent der deutschen Emissionen verantwortlich und die Rinderhaltung nur für 3,9 Prozent. Offiziell würden die von der Rinderhaltung in Deutschland verursachten Emissionen mit 29 Millionen Tonnen und die der Tierhaltung mit insgesamt 35,5 Millionen Tonnen pro Jahr beziffert. Darin nicht eingepreist seien aber indirekte Emissionen, sagte die Autorin des Reports, Friederike Schmitz, von der agrarpolitischen Denkfabrik Faba Konzepte.
Foodwatch: Emissionen aus dem Futtermittelanbau und der Produktion von Düngemitteln
Dazu gehörten etwa Emissionen aus dem Futtermittelanbau, aus der Produktion von Düngemitteln, aus dem Dieselverbrauch sowie aus Landnutzung und Landnutzungsänderungen wie der Trockenlegung von Mooren als Weideflächen. Dann läge allein die Milchproduktion bei 103,3 Millionen Tonnen und die Tierhaltung insgesamt bei 126,6 Millionen Tonnen klimaschädlicher Emissionen.
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Foodwatch fordert deshalb, die Zahl der aktuell rund 3,7 Millionen Milchkühe in Deutschland „in kurzer Zeit“ mindestens zu halbieren und den Konsum von Milchprodukten zu reduzieren. „Es geht nicht darum, Milch zu verbieten“, sagte Foodwatch-Expertin Botzki: „Aber wir müssen deutlich weniger Kühe halten und deutlich weniger Milchprodukte essen.“
Expertin: Weniger Kühe halten und weniger Milchprodukte essen
Laut Schmitz könnten bei einer Reduktion von Milchprodukten von 55 Prozent, wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen, jährlich 44,1 Millionen Tonnen Emissionen eingespart werden. Bei 70 Prozent wären es 56,1 Millionen Tonnen, bei 100 Prozent 80,2 Millionen Tonnen.
70 Prozent sei dabei auch die Empfehlung der sogenannten Planetary Health Diet, einem von internationalen Wissenschaftlern entwickelter Speiseplan zur Menschen- und Planetengesundheit. Ersetzt werden könnte die Milch durch Produkte aus Soja, Kichererbsen und Linsen.
Milchindustrie-Verband wehrt sich
Der Milchindustrie-Verband erklärte zu dem Report, es sei „wichtig, in einem faktenbasierten Dialog zu bleiben und emotionale Glaubenskriege aufzulösen“. Die Zahl der Rinder nehme in Deutschland seit Jahren ab, damit würden die Emissionen sinken. Die Vorgabe für die deutsche Landwirtschaft liege bis 2030 bei 56 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr. Bereits in diesem Jahr übererfülle die Landwirtschaft diese Forderung mit einer Prognose von rund 52 Millionen Tonnen.
Eine Reduzierung der Rinder um 50 Prozent sei das falsche Ziel. Der Verband befürchtet, dass es dann zu einer Abwanderung der Milchindustrie ins Ausland kommen könnte: „Dies würde aus unserer Sicht zu einer klimaschädlicheren Milcherzeugung führen als in Deutschland.“
Konsum von Milch und Milchprodukten sinkt seit Jahren
Den Verbraucherinnen und Verbrauchern empfiehlt die DGE laut Schmitz bis zu 400 Gramm Milchprodukte pro Kopf und Tag. Nach Berechnungen des Öko-Instituts verzehren die Deutschen aktuell 890 Gramm täglich.