Der märkische Schriftsteller Theodor Fontane (1819-1898) bleibt nach Überzeugung des Wissenschaftlers Iwan-Michelangelo D’Aprile weiter aktuell. Fontane habe zwar „in anderen Zeiten und unter anderen gesellschaftlichen Verhältnissen“ geschrieben, sagte D’Aprile dem Evangelischen Pressedienst (epd) zum 125. Todestag des Dichters am 20. September. Auch das ausgehende 19. Jahrhundert sei jedoch eine Umbruchszeit beschleunigten Wandels gewesen, der „gemessen an den damaligen Realitäten nicht weniger tiefgreifend war als der gegenwärtige“.
Wer sich Fontanes damalige Bedeutung in einem heute passenden Bild vor Augen führen wolle, könne ihn sich auch als „alten Mann in verbeulten Breitcordhosen und Tweed-Jacke vorstellen, der zugleich so moderne Ansichten vertritt, dass er zum Helden vom Klimaaktivistinnen, Seenotrettern und Gangsta-Rapperinnen wird“, sagte der Professor der Universität Potsdam.
Fontanes literarische Antwort auf seine Zeit lasse sich als „Programm der poetischen Gerechtigkeit und dialogischen Humanität beschreiben“, sagte D’Aprile: „Eine Literatur, die die Widersprüche der Zeit zunächst einmal registriert und poetisch ins Gespräch bringt, ohne sie sofort zu bewerten.“ Fontane habe auf Dialog und Perspektivwechsel gesetzt. Dazu gehöre der Verzicht auf „das kitschige Übertünchen der Konflikte“ ebenso wie „Popularität ohne Populismus, Angstmacherei und Unterkomplexität“.
In einem Nachruf heiße es, Fontane habe sich den Herausforderungen seiner Zeit mit einer „tapferen Heiterkeit“ gestellt, sagte D’Aprile: „Bei allem historischen Abstand sind das Anliegen, die auch heute nicht einfach überholt sind und angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen sogar an Relevanz gewinnen.“ Möglicherweise sei dies ein Grund, warum seine Werke bis heute „Leserinnen und Leser aus allen Altersgruppen und sozialen Schichten finden“.
Unter den Romanen empfehle er zum Einstieg die posthum erschienene „Mathilde Möhring“, sagte der Vorsitzende der Fontane-Gesellschaft: „Der ist nicht zu lang und betrifft unmittelbar auch für junge Menschen relevante Fragen.“ Der Roman stelle „mit der klugen und energischen Mathilde, die sich trotz einfachster Herkunft durchschlägt, und dem Bummelstudenten Hugo Großmann zwei typische Fontane-Figuren zusammen“. Auch die Kurzgeschichten zeigten seine Modernität. Dort schildere Fontane „flüchtige Situationen des Unterwegsseins“, bei denen es auch um „hochaktuelle Fragen nach dem eigenen Standort in einer globalisierten Welt“ gehe.