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FDP im NRW-Landtag fordert stärkeren Einsatz gegen Jugendkriminalität

Die FDP im nordrhein-westfälischen Landtag mahnt mehr Einsatz gegen Kinder- und Jugendkriminalität an. Diese müsse als „dauerhaftes Phänomen“ der Gesellschaft stärker als bisher eingedämmt werden, heißt es in einem am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags diskutierten Antrag. Notwendig seien dazu ein „Schulterschluss“ von Schulen, Polizei, Justiz sowie der Kinder- und Jugendhilfe. Für eine frühzeitige Vorbeugung sei insbesondere ein Ausbau von Bildungs- und Betreuungsangeboten sinnvoll.

Die Fraktion verweist vor allem auf die zuletzt gestiegene Zahl tatverdächtiger Kinder unter 14 Jahren in NRW. Sie legte 2022 gegenüber dem Jahr zuvor um 40 Prozent auf knapp 21.000 zu. Auch die Zahl der Gewaltdelikte an Schulen, bei denen ein Messer oder eine Stichwaffe im Spiel war, stieg um 47 Prozent. Eine wachsende Zahl tatverdächtiger Kinder und Jugendlicher könne zur Folge haben, dass mehr Kinder und Jugendliche in eine „kriminelle Karriere“ als Intensivtäter gerieten, warnte die Fraktion.

Experten halten die Empfehlungen für sinnvoll, warnen aber auch vor einer Übertreibung des Problems. Die Hochschule für Polizei und Öffentliche Verwaltung merkte dazu an, dass das Kriminalitätsniveau bei Kindern und Jugendlichen zwischen 2009 und 2015 stark zurückging und bei der Zahl der Tatverdächtigen die Zahlen von 2009 noch nicht wieder erreicht worden seien. Auffällig sei jedoch, dass es gerade bei Kindern 2023 fast doppelt so viele Gewaltdelikte gegeben habe wie 2015.

Der deutliche Anstieg im Jahr 2022 gegenüber 2021 sei auch Folge der deutlich gesunkenen Zahlen während der Corona-Pandemie, erläuterte Mechthild Böll vom Gemeinnützigen Verein Fair.Stärken, der in Köln Integrationsarbeit für Familien mit Kindern und Gewaltprävention für Kinder und Jugendliche anbietet. Zudem sei der Anstieg bei der Zahl der Tatverdächtigen nicht mit einem tatsächlichen Zuwachs an Straftaten gleichzusetzen. Die Zahlen sagten zunächst lediglich aus, dass im Hellfeld mehr Taten zur Anzeige gebracht wurden.

Im Dunkelfeld sei die Jugendkriminalität seit den 1990er Jahren kontinuierlich zurückgegangen, sagte die Expertin. Es sei „nicht so, dass die Welt untergeht“. Es werde in Medien auch „viel skandalisiert“. Grundsätzlich brauche es für Kinder und Jugendliche aber mehr niedrigschwellige Freizeitangebote und auch mehr Schulsozialarbeiter.

Ein großes Problem besteht nach Einschätzung von Böll auch darin, dass mehr als ein Fünftel aller Kinder in Armut aufwachse: „Das allein beinhaltet erschwerte Zugänge zu Bildung, Freizeitmöglichkeiten und breitgefächerten positiven Erfahrungen und Erlebnissen.“

Nicht jede strafrechtliche Auffälligkeit bedeute ein Einstieg in eine sogenannte kriminelle Karriere„, machte auch die Humanwissenschaftlerin Theresia Höynck von der Universität Kassel deutlich. “Insofern kann auch eine Forderung nach Eindämmung sinnvollerweise nur darauf abzielen, Jugendkriminalität auf einem möglichst niedrigen Niveau zu halten.