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Mehr Schwerbehinderte in alternder Gesellschaft

Menschen werden älter. Damit geht auch eine steigende Zahl von Schwerbehinderten einher. Fast jeder zehnte Einwohner Deutschlands, hatte Ende vergangenen Jahres ein solches Handicap.

Inklusion soll sich als ein Prinzip durchsetzen, das alle Lebensbereiche betrifft
Inklusion soll sich als ein Prinzip durchsetzen, das alle Lebensbereiche betrifftImago / ingimage

Rund 7,9 Millionen Menschen mit schwerer Behinderung haben zum Jahresende 2023 in Deutschland gelebt. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, waren das rund 67.000 Personen oder 0,9 Prozent mehr als zum Jahresende 2021. Knapp die Hälfte von ihnen sind zwischen 55 und 74 Jahre alt. Als schwerbehindert gelten Personen, denen die Versorgungsämter einen Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent zuerkannt sowie einen gültigen Ausweis ausgehändigt haben.

Bezogen auf die Gesamtbevölkerung hatte damit knapp jeder zehnte Mensch in Deutschland (9,3 Prozent) zum Jahresende 2023 eine schwere Behinderung. 50,1 Prozent von ihnen waren Männer, 49,9 Prozent Frauen. 58 Prozent der schwerbehinderten Menschen hatten körperliche Behinderungen. Geistige oder seelische Behinderungen hatten insgesamt 15 Prozent der schwerbehinderten Menschen.

Behinderungen entstehen meist erst im fortgeschrittenen Alter

Behinderungen bestehen den Angaben zufolge vergleichsweise selten seit der Geburt oder im Kindesalter, sondern entstehen meist erst im fortgeschrittenen Alter. Knapp 91 Prozent der schweren Behinderungen wurden von einer Krankheit verursacht, lediglich rund drei Prozent der Behinderungen waren angeboren oder traten im ersten Lebensjahr auf.

Die statistische Erhebung zur Zahl schwerbehinderter Menschen erfolgt zweijährlich zum Stichtag 31. Dezember. Der Anteil der schwerbehinderten Menschen an der Gesamtbevölkerung wurde mit Daten auf Basis des Zensus 2011 berechnet.

„Aktion Mensch“: Entwicklung hat demografische Gründe

„Aktion Mensch“ sprach auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) von einem längerfristigen Trend: Der Anteil der Menschen mit Schwerbehinderung steige in Deutschland seit Jahren, diese Entwicklung habe demografische Gründe. „Hinzu kommt, dass Menschen mit Behinderung eine höhere Lebenserwartung als in früheren Zeiten aufweisen, bedingt etwa durch eine verbesserte medizinische Versorgung“, hob „Aktion Mensch“-Vorstand Armin von Buttlar hervor.

Er mahnte zugleich: „Die Tatsache, dass etwa jede zehnte Person in Deutschland mit einer Schwerbehinderung lebt, bringt große gesellschaftliche Herausforderungen mit sich, die es zu lösen gilt.“ Beispiele seien „etwa der eklatante Mangel an Barrierefreiheit im öffentlichen Raum oder an barrierefreien Wohnungen, fehlendes Fachpersonal oder das Risiko der Altersarmut“.

VdK: Psychische Beeinträchtigungen als schwerbehindert anerkannt

VdK-Präsidentin Verena Bentele erklärte ebenfalls auf epd-Anfrage, dass zunehmend mehr Menschen aufgrund von psychischen Beeinträchtigungen als schwerbehindert anerkannt werden. Das könne unter anderem an mehr Stress zum Beispiel im Arbeitsleben liegen. Durch zu wenig Unterstützungsangebot könnten leichtere psychische Beeinträchtigungen zudem chronisch werden.

„Gleichzeitig werden psychische Krankheiten nicht mehr so tabuisiert“, sagte Bentele. „Sprich: Menschen trauen sich eher als früher, einen Antrag auf Anerkennung einer Behinderung zu stellen.“ Dies wertete die VdK-Chefin als „gute Entwicklung, damit die Menschen im Land die Unterstützung erhalten, die sie benötigen“.

Wichtig sei außerdem, „als Gesellschaft anzuerkennen, dass Menschen mit Behinderungen integraler Bestandteil dieser Gesellschaft sind. Zudem müssen diese Menschen stärker unterstützt und vom Rande der Gesellschaft weggeholt werden“: Die Politik müsse ihre Rechte stärken und die Inklusion in allen Lebensbereichen vorantreiben.