Klimaforschende beobachten eine Beschleunigung bei der Erderhitzung. Für die kommenden Jahrzehnte rechnen sie deshalb mit einem weiteren und erheblichen Anstieg der mittleren globalen Luft- und Wassertemperaturen. Zum Auftakt des 14. Extremwetterkongresses am Mittwoch in der Hamburger Hafencity-Universität forderten sie neben einem massiven Klimaschutz eine deutliche Verstärkung von Klimaanpassungsmaßnahmen.
„Wir erleben eine ungebremste Erderwärmung mit immer heftigeren Extremwettern“, sagte Tobias Fuchs, Vorstand Klima und Umwelt des Deutschen Wetterdienstes. Nie zuvor sei in Deutschland und weltweit ein so warmes Jahr registriert worden wie 2023, das laufende Jahr nehme einen ähnlichen Verlauf. „Unser Klima verändert sich stark. Trotzdem sollten wir nicht resignieren“, befand Fuchs. „Wir können gegen Klimawandel ansteuern und uns erfolgreich anpassen.“ Es lohne sich, „um jedes Zehntelgrad zu kämpfen“.
Auch Jörg Müller-Lietzkow, Präsident der Hafencity-Universität, gab sich hoffnungsvoll: „Noch haben wir Chancen, gemeinsam, als Gesellschaft, etwas zu tun.“ Es müssten bauliche Maßnahmen ergriffen werden, zudem müssten alle Menschen ihr Verhalten ändern.
Die zunehmende Erderwärmung ist laut Forschenden Folge der weiter steigenden Treibhausgas-Konzentration. Der Anstieg der globalen Temperaturen um 0,5 Grad seit der vorindustriellen Zeit habe rund 80 Jahre gedauert, der Anstieg auf ein Grad sei dagegen innerhalb von nur 23 Jahren geschehen. „Es ist nicht mehr auszuschließen, dass die 1,5-Grad-Grenze in etwa der halben Zeit des letzten Schritts erfolgen wird“, sagte Frank Böttcher, Vorsitzender der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft. Auch könne er „nicht mehr ausschließen, dass wir schon 2050 die 3-Grad-Grenze erreichen.“
Nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind wirksame Klimaschutzmaßnahmen nicht mehr durch kleine und Einzelmaßnahmen zu erreichen. Der Physiker und Wirtschaftswissenschaftler Hermann Held forderte gesetzliche Rahmenbedingungen, „mit denen sämtliche in Deutschland erwerbbaren Produkte, die dem Klima schaden, teurer werden als jene, welche das Klimasystem schonen“.
Meteorologe Sven Plöger erklärte, es brauche mehr Zuversicht und dafür eine bessere Klimakommunikation, „weg von der Apokalypse, hin zu den Chancen“. Setze sich die Erwärmung fort, seien ab 2080 Meeresspiegel-Anstiege von fünf bis sechs Zentimetern pro Jahr möglich. Planungs- und Genehmigungsverfahren für Bauprojekte liefen dafür noch zu langsam ab. Plöger: „Der Kapitän ist schon jetzt gefordert, dass Schiff sturmfest zu machen.“
Wissenschaftsjournalist Eckart von Hirschhausen warnte vor der „Illusion, dass wir uns an alles anpassen können“. So sei bei Luftmassen, an denen der Mensch „ertrinke“, kein Überleben mehr möglich. Er bezog sich auf den Taupunkt und damit die Temperatur, bei der Luft kondensiert. Am 28. August wurde am Flughafen Dayrestan im Iran mit 36,1 Grad der höchste Taupunkt seit Beginn der globalen Messungen beobachtet. Ab einem Taupunkt von über 37 Grad kondensiert die Luft beim Atmen auf den Lungenbläschen zu Wasser. Solche Naturgesetze seien „nicht verhandelbar“, sagte Hirschhausen. Gesunde Menschen gebe es nur auf einer gesunden Erde.