Bezahlte und unbezahlte Arbeit müsste zwischen Müttern und Vätern anders verteilt werden – dafür wirbt die Soziologin Jutta Allmendinger. “Jede Gesellschaft sollte ein Interesse daran haben, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mütter und Väter zu ermöglichen”, sagte sie im Interview der “Welt” (Freitag). Es brauche flexiblere Möglichkeiten, um Sorge- und Erwerbsarbeit zu verbinden: “Das bedeutet auch, dass wir in manchen Phasen des Lebens mehr, in anderen weniger erwerbstätig sind.”
Dafür müsse man den gesamten Lebensverlauf in den Blick nehmen, betonte die Leiterin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich der Alltag von Männern kaum verändert, der von Frauen aber durchaus: “Männerleben sind nach wie vor von mehr oder weniger geschlossenen Erwerbsverläufen in Vollzeit geprägt, während Frauen, die früher oft nicht erwerbstätig waren, heute meist neben der unbezahlten Sorgearbeit auch Teilzeit erwerbstätig sind.”
Diese Doppelbelastung führe vielfach dazu, dass Frauen “nirgends so richtig zufrieden” seien, mahnte Allmendinger – weder im Job noch als Mutter. Und: “Es ist nicht so, dass Frauen dazu ‘neigen’.” Vielmehr erlebten sie massiven Druck, “wenn sie ihrer zugedachten Rolle nicht entsprechen”. So würden etwa Frauen, die nur zwei Monate Elternzeit nähmen, als überambitionierte Rabenmütter betrachtet: “Unsere Gesellschaft denkt immer noch sehr stark in Stereotypen.”
Junge Frauen seien “angenervt von dem permanenten Rechtfertigungsdruck”, sagte die Forscherin weiter. “Wie auch immer sie es machen, ist es irgendwie falsch.” Im beruflichen Bereich würden Frauen heutzutage umworben, im Privaten dagegen oft sich selbst überlassen. Laut einer Studie Allmendingers wünschen sich junge Frauen daher nicht mehr unbedingt Kinder. Auch wählten immer weniger Mütter die Option, ganz zu Hause zu bleiben, weil sie wüssten, was dies für ihre Rente oder im Fall einer Trennung bedeute.
“Neue Väter” gebe es “vor allem in den Köpfen”, fügte die Expertin hinzu. Viele wollten zwar eine partnerschaftliche Beziehung und eine Teilung von bezahlten und unbezahlten Tätigkeiten. “Leider setzen viele ihre Vorstellungen dann doch nicht um und fallen zurück in alte Traditionen. Nicht einmal jeder zweite Vater nimmt Elternzeit. Und die allermeisten zwei Monate, zudem noch zusammen mit der Mutter.”