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Experten: Gewalt gegen Frauen in Deutschland weiter alarmierend

Hunderte Frauen und Mädchen werden in Deutschland Tag für Tag Opfer von körperlicher oder psychischer Gewalt. Staatliche Stellen tun zu wenig für ihren Schutz, bilanziert das Deutsche Institut für Menschenrechte.

Der Schutz von Frauen vor Gewalt weist in Deutschland nach Einschätzung von Experten nach wie vor große Lücken auf. Zwar habe es in den vergangenen Jahren Fortschritte wie das Anti-Stalking-Gesetz oder die Aufnahme geschlechtsspezifischer Tatmotive ins Strafrecht gegeben, sagte die Expertin für geschlechtsspezifische Gewalt am Deutschen Institut für Menschenrechte, Müserref Tanriverdi, am Dienstag in Berlin. Dennoch sei das Gesamtbild “besorgniserregend bis alarmierend”.

Im Jahr 2023 seien im Schnitt jeden Tag 728 Frauen und Mädchen Opfer von körperlicher Gewalt sowie 394 von psychischer Gewalt geworden, erklärte Tanriverdi. Rund 85 Prozent der Opfer von sexualisierter Gewalt seien Frauen und Mädchen. Geschlechtsspezifische Gewalt finde häufig im nahen Umfeld der Betroffenen statt. Besonders betroffen seien junge Frauen zwischen 18 und 20 Jahren. Das Ausmaß der Gewalt sei unerträglich, so die Expertin. “Wir brauchen endlich eine Gesamtstrategie von Politik, Verwaltung und Justiz, um die Betroffenen besser zu schützen und der Gewalt ein Ende zu setzen.”

Das Institut hat erstmals einen Bericht mit dem Titel “Monitor Gewalt gegen Frauen” zur Umsetzung der sogenannten Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt vorgelegt. Sie verpflichtet Bund, Länder und Kommunen seit 2018 dazu, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhindern und Täter wirksam strafrechtlich zu verfolgen.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Deutschland jedoch allzu oft verharmlost werde. “Wenn ein Mann eine Frau tötet, weil sie sich trennt, ist das keine ‘bedauernswerte Familientragödie’, sondern Mord”, sagte Tanriverdi. Überdies fehle oft noch das Verständnis für die digitale Dimension von gegen Frauen gerichteter Gewalt.

Die Expertinnen und Experten des Instituts fordern neben einer Gesamtstrategie auch die Einrichtung einer nationalen Koordinierungsstelle. Zudem müssten die Zahl der Plätze in Frauenhäusern sowie Beratungsangebote dringend ausgebaut werden. Nötig sei ein Gewalthilfegesetz, mit dem ein Rechtsanspruch auf Zugang zu Schutz und Beratung verankert werde. Polizei und Justiz sollten zur Vorbeugung und zur besseren Rechtsverfolgung geschult werden. Darüber hinaus rät das Institut dazu, die Arbeit mit Tätern auszubauen, um diese von möglichen weiteren Taten abzubringen.