Die von der Bundesregierung geplante Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik stößt bei Experten und Verbänden auf Kritik. Die Flüchtlingsschutzorganisation Pro Asyl bezweifelt, dass mehr Asylsuchende an deutschen Grenzen zurückgewiesen werden können, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben. Der Migrationsforscher Hans Vorländer befürchtet, dass die geplanten verstärkten Zurückweisungen der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene in Asylfragen schaden.
„Wenn man sich an Recht hält, wird sich die Zahl der Zurückweisungen nicht erhöhen“, sagte der Leiter der Pro-Asyl-Europaabteilung, Karl Kopp, dem Redaktions-Netzwerk Deutschland. Italien nehme seit geraumer Zeit niemanden mehr zurück. Die Bereitschaft dazu müsse aber vorhanden sein. Griechenland nehme nur Flüchtlinge aus sieben Herkunftsstaaten auf.
Pro-Asyl: „Wir können die Menschen nicht ins Elend schicken“
„Und schließlich werden viele Zurückweisungen von deutschen Verwaltungsgerichten gestoppt, weil in den Ländern, in die zurückgewiesen werden soll, unmenschliche Behandlung droht, da es dort kein Bett, kein Brot und keine Seife gibt“, sagte Kopp. Das sei etwa in Bulgarien der Fall oder in Belgien, wo männliche Flüchtlinge keinen Schlafplatz mehr bekämen. Kopp betonte: „Wir können die Menschen nicht ins Elend schicken.“
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Migrationsexperte Vorländer sagte der Düsseldorfer Rheinischen Post, die geplanten Zurückweisungen könnten dazu führen, „dass es zu einem Rückstau von Geflüchteten in anderen ost- und mitteleuropäischen Ländern kommt und andere Durchgangsländer weiter nach hinten abschieben“. Zurückweisungen seien zwar prinzipiell nach EU-Bestimmungen möglich, es gebe dafür aber hohe organisatorische und logistische Hürden. So müsse sichergestellt werden, dass das EU-Recht und die Asylverfahrensrichtlinien tatsächlich eingehalten werden.
Dublin-III-Verordnung funktioniert nicht
„Mein Rat wäre, darauf zu setzen, die verabredeten Reformen des EU-Asylsystems mit den europäischen Partnern schnell umzusetzen“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration. Die sogenannte Dublin-III-Verordnung, die festlegt, welcher EU-Mitgliedsstaat für ein Asylverfahren zuständig ist, funktioniere nicht, sagte Vorländer. In Österreich und Polen rege sich bereits Widerstand gegen die geplanten Maßnahmen Deutschlands. Der von Vorländer geleitete Sachverständigenrat für Integration und Migration ist ein vom Bund finanziertes, unabhängiges Expertengremium der wissenschaftlichen Politikberatung.
Die Bundesregierung will zur Begrenzung der Fluchtmigration nach Deutschland Asylsuchende, für die nach der Dublin-Regelung ein anderer EU-Staat zuständig wäre, in einer Art Grenzverfahren festhalten und möglichst schnell dorthin zurückschicken. CDU und CSU gehen noch weiter und fordern pauschale Zurückweisungen an der Grenze, das hält die Regierung nicht für vereinbar mit europäischem Recht.