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Experte: Jüdische Schüler geben sich oft nicht als solche zu erkennen

Viele jüdische Schülerinnen und Schüler geben sich laut Daniel Felder vom Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung in Baden-Württemberg in ihrer Klasse nicht als solche zu erkennen. „Wir wissen aus der Forschung, dass die Hälfte der jüdischen Schülerinnen und Schüler sich auch vor dem 7. Oktober 2023 nicht zu erkennen gab“, sagte er bei der Fachtagung „Der 7. Oktober und seine Folgen“ am Dienstag im Hospitalhof in Stuttgart. Diese Tendenz habe sich nach dem 7. Oktober verstärkt. Jüdische Schüler berichteten teilweise von einem starken Mangel an Empathie ihnen gegenüber bis sogar hin zu Morddrohungen. „Das führt zu einem Klima, das sehr, sehr schwierig ist“, so der Pädagoge.

In der Schule brauche es einen Raum, um über die unterschiedlichen Gefühle aller Schüler nach dem 7. Oktober zu sprechen. „Unser Tipp ist, das Gespräch zuzulassen.“ Wenn allerdings rassistische oder antisemitische Ansichten zur Sprache kämen, müssten die Lehrkräfte dagegen steuern und adäquat reagieren, sagte Felder.

Desirée Galert von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus e. V. (Berlin) sagte, bei ihren Fortbildungen zeige sich, dass sich viele Lehrkräfte ohnmächtig fühlen und teilweise nicht mit ihren Emotionen und denen der Schüler nach dem 7. Oktober umgehen könnten. So würden viele Gesprächsräume leider nicht geschaffen, bedauerte sie.

Barbara Traub, Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) sagte, weltweit sei nach dem 7. Oktober eine beispiellose Welle des Antisemitismus ablesbar. So hätten sich 2023 laut Innenministerium die antisemitischen Straftaten für Baden-Württemberg verdreifacht. Jeder Terror gegen Israel und jeder krasser werdende Antisemitismus sei auch immer gegen die westliche Demokratie gerichtet, „gegen unsere Werte und unser Freiheitsverständnis“.

Laut Yasemin Soylu, Geschäftsführerin der Muslimischen Akademie Heidelberg, lebe man aktuell in Zeiten, in denen Dialoge abgebrochen werden und es keine Bereitschaft mehr gibt, einander zuzuhören, eigene Haltungen zu überdenken und Kontroversität und unterschiedliche Meinungen zuzulassen. Die Veranstaltung im Hospitalhof wolle einen Beitrag dazu leisten, der aktuellen gesellschaftlichen Polarisierung etwas entgegenzusetzen, sagte sie.

Die Hamas hatte am 7. Oktober 2023 Israel angegriffen, etwa 1.200 Menschen getötet und rund 240 Geiseln genommen. Israels Armee reagierte militärisch massiv und riegelte den Gaza-Streifen ab, den die Hamas beherrscht. Tausende Menschen kamen ums Leben. Mittlerweile hat sich der Konflikt regional ausgeweitet.

Die Fachtagung ist eine Kooperation der Muslimischen Akademie Heidelberg, der Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg (lpb), dem Evangelischen Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart und der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW). (2323/15.10.2024)