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Experte: Italien bei Faschismus-Aufarbeitung besser als sein Ruf

In Sachen Vergangenheitsbewältigung gilt Deutschland als Weltmeister. Den Italienern dagegen wirft man einen laxen Umgang mit dem Faschismus vor. Dem widerspricht ein Experte.

Italien ist bei der Aufarbeitung seiner faschistischen Vergangenheit nach Meinung des Historikers Martin Baumeister deutlich besser als sein Ruf. Während die Deutschen beim Umgang mit der NS-Zeit als “Weltmeister” gälten, werfe man den Italienern gerne vor, “hier ihre Hausaufgaben nicht zu machen”, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Rom. “Man verweist dann etwa auf den unbefangenen Umgang mit faschistischer Architektur und Denkmälern”, so der langjährige Direktor des Deutschen Historischen Instituts (DHI) in Rom. “Das ist jedoch eine grobe Vereinfachung.”

Auch durch die seit genau zwei Jahren amtierende rechtsnationale Regierung Meloni stellt Baumeister keine spürbaren Veränderungen für die Arbeit seiner Forschungseinrichtung fest. “Auch Italien ist nicht gefeit gegen antideutsche oder antifranzösische Ressentiments”, räumte er ein. “Allerdings sehe ich aktuell keinen Anlass zur Besorgnis, dass die Wissenschaftsfreiheit gefährdet ist.”

Aktuell ist das 1888 gegründete DHI in Rom, ältestes von weltweit sechs Deutschen Historischen Instituten, an Projekten beteiligt, die auf Empfehlungen der deutsch-italienischen Historikerkommission zu den Folgen des Zweiten Weltkriegs entstanden. “Hier betreuen wir zusammen mit italienischen Partnern Erinnerungs- und Dokumentationsprojekte, die vom Auswärtigen Amt finanziert werden und besonders auf lokaler oder regionaler Ebene eine wichtige Rolle spielen”, erläuterte Baumeister. Unter anderem sei jetzt ein Atlas der von den Deutschen verübten Massaker in Italien digital abrufbar.

Baumeister (65) leitete das DHI, eine der bedeutendsten Kultureinrichtungen der Bundesrepublik in Italien, seit 2012. Am 1. Oktober tritt Petra Terhoeven (55), Professorin für Europäische Kultur- und Zeitgeschichte in Göttingen, seine Nachfolge an.