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Experimente auf dem Ölberg

Hartmut Schönherr lässt sich von Neinsagern nicht verunsichern. „Es ist ein Experiment“, sagt der Hobby-Landwirt aus dem badischen Bruchsal beim Gang durch seinen kleinen Olivenhain im Stadtteil Obergrombach. Auf einem alten Weinberg mit romantischer Sicht auf die Rheinebene und den Schwarzwald hat der ehemalige Grünen-Stadtrat mehr als 40 Olivenbäume angepflanzt, insgesamt zwölf unterschiedliche Sorten. „Viele sagen, Olivenanbau in Deutschland klappt nicht“, sagt er. „Ich will schauen, wie weit ich damit komme.“

Schönherr ist einer von wenigen Pionieren in Deutschland, die mit viel Enthusiasmus und Arbeit versuchen, die Nutzpflanze aus dem Mittelmeerraum auch hierzulande heimisch zu machen. Im klimatisch günstigen Südwesten, in der Oberrheinebene zwischen Basel und Bingen, sei dies durchaus möglich, glaubt der Kulturwissenschaftler. Kommerzielle Anbau-Projekte gibt es etwa am Kaiserstuhl bei Freiburg, in Pulheim bei Köln und auch im Ahrtal in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Doch noch sind die Ernteerträge ziemlich klein.

Schon lange ist der promovierte Philosoph Schönherr vom Ölbaum, einer der zentralen Pflanzen der Bibel, fasziniert: Sie diente den Menschen als Nahrungsmittel und zur Körperpflege. Herrscher wurden mit dem aus den Früchten gewonnenen Öl gesalbt, auch Sterbenden mit einer „letzten Ölung“ Linderung verschafft, zählt der 71-Jährige auf. Auf seiner Internetseite „mainolivenhain.de“ berichtet er über seine Fortschritte – und auch Rückschläge – als Olivenbauer.

Zwar wäre es eine schöne Sache, eines Tages selbst gepresstes Olivenöl in kleiner Menge anbieten zu können, sagt Schönherr. Sieben bis zehn Kilogramm Oliven seien nötig, um einen Liter Öl zu pressen. Doch vor allem geht es ihm um den wissenschaftlichen Versuch, ob Olivenanbau in der Region funktioniert. Und ob dieser in einigen Jahrzehnten eine zusätzliche Ertragsquelle für Landwirte sein könnte.

Das heißere und trockenere Klima begünstige das Wachstum der langlebigen Olivenbäume, erklärt er. 2008 setzte Schönherr die ersten kleinen, aus fünf Mittelmeerländern importierten Exemplare in seinem stillgelegten Weinberg. Ein Olivenbaum wächst sehr langsam, erste Früchte trägt er nach sieben Jahren. Steinig und manchmal auch frustrierend ist der Weg zur ersten bescheidenen Ernte, weiß der Hobby-Landwirt. Noch stehen die in Buschform geschnittenen Bäume niedrig in seinem Hain.

Olivenbäume sind ziemlich anspruchslos, sie gedeihen auch auf kargen Böden und kommen mit wenig Wasser aus. In großer Sommerhitze muss Schönherr aber schauen, dass die jungen Bäumchen mit den grün-silbrigen Blättern nicht vertrocknen. In kalten Wintern schützt er sie mit wärmendem Vlies – und hat auch schon Öfen mit Kerzenöl aufgestellt.

Temperaturen ab minus acht Grad Celsius tun den frostempfindlichen Oliven gar nicht gut. „In den Kältewintern 2008 und 2012 gingen mir viele Olivenbäume kaputt“, erzählt er. Hinzu kommen Schäden durch Rehe, Wildschweine und Mäuse, die die Bäume anfressen.

Katastrophal für die Mittelmeer-Pflanze sind aber plötzliche, extreme Klimaschwankungen – oder auch die Starkregen zuletzt im Südwesten. Schönherr macht trotz aller Widrigkeiten weiter. Von der Olive könne man angesichts der Klimakrise viel lernen: „Sie ist zäh und passt sich an.“

Der österreichische Physiker und Pflanzenbauer Markus Fink aus Wien appelliert, die Folgen des Klimawandels als eine Chance zu nutzen. Sein Start-up-Unternehmen „Agro Rebels“ berät Landwirte beim Olivenanbau im österreichischen Burgenland, das für sein mildes Klima bekannt ist. Rund 5.000 Bäume hat es gemeinsam mit Landwirten seit 2019 bereits gepflanzt. Noch werden nur Ess-Oliven produziert, doch ist die größere Produktion von Olivenöl das Ziel.

„Seid’s ihr ganz deppert?“ hätten anfangs vor allem ältere Bauern die „Agro Rebels“ gefragt und das Oliven-Projekt erstmal abgelehnt, berichtet Fink. Mittlerweile seien immer mehr junge Landwirte dabei. Auch in warmen Regionen Deutschlands werde zukünftig aufgrund der sich nach Norden verschiebenden Klimazonen ein Anbau möglich sein, ist der Unternehmer überzeugt. „Man muss es einfach ausprobieren, es wird schon.“

Hartmut Schönherr hat seinen Olivenhain in diesem Jahr indes vergrößert. An den Bäumchen hängen schon vereinzelt grüne, bittere Früchte. Nach der Ernte im Herbst legt er sie in Salzlauge für den Eigenverbrauch ein – oder lässt sie hängen, bis sie ganz schwarz sind. „Sie haben dann ein unglaubliches Aroma“, schwärmt er. Schwarze Oliven, die viel Sonne getankt haben, wären auch eine Marktlücke für deutsche Bauern. Und sollte es in seinem kleinen Hain nur bei „Oliventräumen“ bleiben? „Dann mache ich ein Magerwiesen-Biotop“, sagt er.