WASHINGTON – Mit geistlichem Segen hat Donald Trump sein Amt als 45. Präsident der Vereinigten Staaten angetreten. Für den Historiker John Wilsey vom Southwestern Baptist Theological Seminary in Fort Worth in Texas zeige die Auswahl der Betenden zur Amtseinführung, wie Trump Amerika sieht und wie er sich Amerika vorstellt. Für bemerkenswert hält der Wissenschaftler die Tatsache, dass unter den fünf Männern und einer Frau, die in Washington bei der Einführung von Donald Trump ein Gebet oder einen Segen sprachen, niemand vom sogenannten Mainstream-Protestantismus dabei war.
Dafür beteten erstmals Vertreter des „Wohlstandsevangeliums“, dem zufolge Vermögen und Erfolg im Diesseits Zeichen für Gottes Gunst sind. Dazu gehören zwei Fans von Donald Trump: Bischof Wayne Jackson von der unabhängigen Great Faith Ministries International-Kirche in Detroit und die Fernsehpredigerin Paula White. Trumps Vermögen zeige, dass Gott ihn gesegnet habe, sagte Jackson einmal im Rundfunksender NPR.
Die Gebete sollen die Nation vereinen
Für den neuen Präsidenten beteten zudem: Baptistenprediger Franklin Graham (Sohn von Billy Graham), der römisch-katholische Kardinal Timothy Dolan, der Präsident des evangelikalen „Nationalen Hispanischen Führungsverbandes“, Pastor Samuel Rodriguez, und Rabbi Marvin Hier, der das Simon Wiesenthal Zentrum in Los Angeles gegründet hat.
Der Mainstream-Protestantismus, zu dem Lutheraner, Methodisten und Presbyterianer zählen, kam erst einen Tag später zum Zug: bei einem ökumenischen Gottesdienst in der episkopalen Nationalkathedrale in Washington. Die Tradition, dass neue Präsidenten Prediger zur Amtseinführung auswählen, existiert seit den 1930er Jahren. Das Religiöse bei der Amtseinführung soll die Nation vereinen.
Bisher haben die neuen Präsidenten meist zwei oder drei Vertreter des Mainstream-Protestantismus und einen Katholiken genommen, manchmal einen Rabbiner. Den Rekord hält der heute 98-jährige Baptistenprediger Billy Graham: Er trat auf bei Richard Nixon (1969), George W. Bush (1989) und zweimal bei Bill Clinton (1993 und 1997). Bei Barack Obamas Amtseinführung 2013 betete erstmals eine Frau, die Bürgerrechtlerin Myrlie Evers-Williams.