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Evangelischer Immobilienverband: Mehr Förderung für Sozialwohnungen

In Deutschland fehlen Wohnungen. Trotzdem geht das Thema im Wahlkampf unter. Dabei ist der soziale Frieden in Gefahr, warnt Jannika Lange vom Evangelischen Immobilienverband im Interview.

Eine bezahlbare Wohnung ist in Deutschland gerade in den Metropolen kaum noch zu finden (Symbolbild)
Eine bezahlbare Wohnung ist in Deutschland gerade in den Metropolen kaum noch zu finden (Symbolbild)Imago / Westend61

Warum taucht das Thema Wohnen aus Ihrer Sicht im Wahlkampf kaum auf? 
Jannika Lange, Geschäftsführerin des Evangelischen Immobilienverbands: Das Thema Migration dominiert derzeit den Bundestagswahlkampf in Deutschland. Die Parteien diskutieren intensiv über Grenzkontrollen, Asylpolitik und Integrationsmaßnahmen. Dabei geraten andere wichtige Themen in den Hintergrund, wie zum Beispiel auch das Thema Wohnen. Wohnen ist keine Nebensache – es gehört ins Zentrum jeder politischen Agenda! Das Thema sollte im Bundestagswahlkampf weit mehr Aufmerksamkeit verdienen, weil es eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit ist. Aktuellen Analysen zufolge fehlen in Deutschland zwischen 550.000 und 800.000 Wohnungen. Die Bundesregierung hat das Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, darunter 100.000 Sozialwohnungen, weit verfehlt.

Die Lage des Wohnungsbaus in Deutschland ist weiterhin mehr als besorgniserregend. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt bleibt, insbesondere in den großen Metropolen angespannt, rückläufige Baugenehmigungszahlen zeigen den Ernst der Lage. Die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage wird immer dramatischer. Die Politik erkennt nicht, welche Sprengkraft sich hinter dem Wohnungsmangel verbirgt. Gutes und bezahlbares Wohnen ist entscheidend für Integration, Nachbarschaft und ein friedliches Miteinander und damit eine zentrale Säule für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Die Kirche als Vermieterin – was heißt das konkret? 
Unsere Mitgliedsorganisationen, darunter evangelische Wohnungsunternehmen, Stiftungen, Landeskirchen und Kirchenkreise verfügen über insgesamt rund 30.000 Wohnungen im Eigenbestand. Zusätzlich zu diesen Wohnimmobilien besitzt die Evangelische Kirche insgesamt mehr als 74.000 Gebäude für verschiedene Zwecke, darunter Kirchen, Pfarrhäuser, Kindergärten und andere Einrichtungen.

Ein Beispiel: Das Evangelische Siedlungswerk (ESW) ist das größte evangelische Wohnungsunternehmen in Deutschland und bewirtschaftet rund 13.000 Wohneinheiten in ganz Bayern, rund 8.300 davon im Eigen- und Treuhandbestand. Als christliches Wohnungsunternehmen kommt das Siedlungswerk seinem besonderen gesellschaftlichen Auftrag nach, indem es für bezahlbaren Wohnraum in ganz Bayern steht – gerade in angespannten Wohnungslagen wie München und Ingolstadt, Nürnberg, Augsburg und Regensburg. Das ESW stellt Räume für soziale Einrichtungen und Projekte zur Verfügung, so gehören zum Bestand des ESW zahlreiche Kindertagesstätten, ein Quartiersbüro und ein Mutter-Kind-Haus.

Kann sich einfach jede und jeder bewerben für eine Wohnung von der Kirche?
Grundsätzlich bieten die Mitgliedsunternehmen des Evangelischen Immobilienverbands Wohnraum für eine breite Gesellschaft an. Jeder kann sich für eine Wohnung bei kirchlichen Wohnungsunternehmen bewerben. Es gibt jedoch einige Besonderheiten: Viele kirchliche Wohnungsunternehmen vermieten Wohnungen ganz regulär an die breite Öffentlichkeit. So gibt es in der Regel keine Voraussetzung, Mitglied der Kirche zu sein.

Oft haben aber bestimmte Gruppen Vorrang wie Familien mit Kindern, Senioren, sozial schwächere Personen und Kirchennahe Berufe. Viele kirchliche Wohnungsunternehmen beteiligen sich am sozialen Wohnungsbau. Kirchliche Wohnungsunternehmen legen Wert auf nachbarschaftliches und faires Zusammenleben.

Mit welchen Problemen ist Kirche als Vermieterin konfrontiert?
Kirche und kirchliche Wohnungsunternehmen stehen als Vermieter vor ähnlichen Herausforderungen wie andere Wohnungsunternehmen – mit einigen zusätzlichen Besonderheiten wie etwa Sanierungs- und Instandhaltungskosten. Viele kirchliche Wohnungsbestände sind älter und müssen saniert oder modernisiert werden. Die Kosten für energetische Sanierungen steigen, insbesondere durch strengere Klimaschutzvorgaben. Denkmalgeschützte Gebäude erfordern teure Spezialmaßnahmen.

Kirchliche Vermieter wollen sozial verträglich vermieten, können aber nicht unbegrenzt auf Mietsteigerungen verzichten. Steigende Bau- und Betriebskosten machen wirtschaftliches Arbeiten schwieriger. Fördermittel für sozialen Wohnungsbau sind oft zu bürokratisch und, oder nicht ausreichend. Langsame Baugenehmigungen und strenge Bauvorschriften erschweren Neubauten. Regulierungen im Mietrecht machen das Vermieten komplexer. Kirchliche Vermieter müssen kirchliche und staatliche Vorgaben gleichzeitig beachten.

Kirche als Vermieterin hat den Anspruch, sozial und gerecht zu handeln. Es gibt keinen harten Profitdruck, aber wirtschaftliche Zwänge. Es besteht ein Spannungsfeld zwischen Glaubensauftrag und wirtschaftlichem Handeln.

Was wünschen Sie sich von der kommenden Regierung?
Kirchliche Wohnungsunternehmen haben ein starkes Interesse an einer nachhaltigen, sozialen und bezahlbaren Wohnungspolitik. Von der zukünftigen Bundesregierung wünschen sie sich vor allem: Mehr Förderung für bezahlbaren Wohnraum. Viele kirchliche Wohnungsunternehmen bauen und vermieten geförderten Wohnraum. Sie brauchen stabile Förderprogramme mit langfristiger Planungssicherheit.

Außerdem braucht es Verbesserung der steuerlichen Anreize, um den Bau bezahlbarer Wohnungen attraktiver zu machen sowie schnellere und einfachere Förderprozesse, um Bürokratie abzubauen. Wichtig ist auch die Unterstützung bei nachhaltigem und klimafreundlichem Bauen: Mehr finanzielle Förderung für energetische Sanierung, damit ältere Bestände modernisiert werden können und eine sozialverträgliche Umsetzung der Klimaschutzvorgaben, damit Mieter nicht überfordert werden. Mehr kommunale Kooperationen zum Beispiel durch vergünstigte Grundstücke für gemeinwohlorientierte Bauträger wären auch wünschenswert.

Vor allem aber wünschen sich kirchliche Wohnungsunternehmen, dass ihr soziales Engagement stärker unterstützt und anerkannt wird – durch bessere Förderkonditionen, weniger Bürokratie und stärkere Partnerschaften mit der Politik.