In der Debatte um eine gesetzliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs plädiert die evangelische Kirche für eine teilweise Streichung strafrechtlicher Vorschriften. Regulierungen des Schwangerschaftsabbruchs könnten nach einem Positionspapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für bestimmte Konstellationen auch außerhalb des Strafrechts formuliert werden. Die Stellungnahme des EKD-Rates wurde für die von der Bundesregierung eingerichtete Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin verfasst und am Mittwoch veröffentlicht.
Dem Rat der EKD gehe es „um den größtmöglichen effektiven Schutz des Lebens nicht gegen die Rechte der Frau, sondern durch deren Stärkung“, erklärte die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus laut Mitteilung. Bislang war die EKD für die geltende rechtliche Regelung eingetreten, die von Kritikern vermehrt als Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht von Frauen angesehen wird.
Der Rat der EKD betont in der Stellungnahme, dass er eine „vollständige Entkriminalisierung“ des Schwangerschaftsabbruchs wegen der Verpflichtungen des Staates für den Schutz des Lebens für „nicht vertretbar“ halte. Zudem plädiert er weiter für eine verpflichtende Beratung der Schwangeren vor einer Abtreibung. Vor allem Frauen, die wegen ökonomischen oder sozialen Zwängen nicht vollständig autonom entscheiden können, könnten sonst von einem bloßen Rechtsanspruch auf Beratung unter Umständen keinen Gebrauch machen, so die Befürchtung.
Ende März hatte die Kommission ihre Arbeit aufgenommen. Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP will prüfen lassen, ob Abtreibungen weiterhin im Strafgesetzbuch (StGB) gesetzlich geregelt werden. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz sprach sich am Mittwoch für einen Verbleib des betreffenden Paragrafen 218 StGB aus. Ein Sprecher der Bischofskonferenz verwies auf Aussagen des Bischofskonferenz-Vorsitzenden, Georg Bätzing, von März.
Bätzing hatte damals erklärt, das Grundgesetz schütze nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowohl die Selbstbestimmung und Gesundheit der Frau als auch das ungeborene Kind als selbstständiges Rechtsgut. Dass eine außerstrafrechtliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs das verfassungsrechtlich garantierte Lebensrecht des ungeborenen Kindes in gleicher Weise oder besser schützen solle als die gegenwärtige Regelung, sei nicht einsichtig, sagte er. Die Bischofskonferenz kündigte an, ebenfalls eine Stellungnahme für die Kommission abzugeben.
Auch der Katholische Deutsche Frauenbund hatte seine Position an die Kommission übermittelt, wie eine Sprecherin mitteilte. Die katholischen Frauen lehnen ebenfalls eine Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch ab.
Der Rat der EKD spricht sich für eine „abgestufte Fristenkonzeption“ aus, über die noch näher zu diskutieren sei. Die Stellungnahme nennt selbst zwei Zeiträume als Orientierung: Spätestens ab der sogenannten extrauterinen Lebensfähigkeit, die üblicherweise ab der 22. Schwangerschaftswoche angesetzt werde, „sollte ein Schwangerschaftsabbruch strafrechtlich geregelt und nur in klar definierten Ausnahmefällen zulässig sein“. Hinsichtlich möglicher anderer oder weiterer Fristen müsse ausgelotet werden, wie viel Zeit der Schwangeren minimal eingeräumt werden sollte, um eine verantwortliche Entscheidung zu treffen. Das könnten die ersten zwölf Wochen nach Empfängnis sein.