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“Es braucht Gesprächsfäden, um Gegensätze zu überwinden”

Gady Gronich ist Geschäftsführer der Europäischen Rabbinerkonferenz in München und Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde. Zusammen mit dem Palästina-Aktivisten Fuad Hamdan und dem Münchner Religionswissenschaftler Stefan Jakob Wimmer sollte der gebürtige Israeli am vergangenen Dienstag in der Evangelischen Stadtakademie darüber diskutieren, wie die Gesellschaft trotz des Nahost-Konflikts nicht in Lager zerbricht. Das Dekanat München sagte das Podium jedoch kurzfristig wegen antisemitischer Posts von Fuad Hamdan ab.

epd: Herr Gronich, haben Sie Verständnis für die Absage des Podiumsgesprächs?

Gronich: Ich finde das bedauerlich, denn es wäre wichtig gewesen, ein solches Gespräch zu führen, damit die Meinung von Herrn Hamdan und eindeutig einseitige Nahost-Narrative nicht unwidersprochen bleiben. Jetzt ist es eine verpasste Gelegenheit – auch um wieder für mehr Ruhe auf der Straße beizutragen.

epd: Die Positionen und Posts von Fuad Hamdan waren Ihnen bekannt, trotzdem wollten Sie mit ihm diskutieren. Fühlen Sie sich durch die Absage gegängelt?

Gronich: Die kurzfristige Absage hat uns überrascht. Es ist schade, weil wir zu diesem so wichtigen Thema, das ja nicht nur den Nahen Osten, sondern auch hierzulande unsere Gesellschaft zunehmend spaltet, diskutiert hätten, um einen größeren Raum für einen bei diesem Thema notwendigen Diskurs zu schaffen. Dazu muss man auch mal aus Tabuzonen raus, um festgefahrene Meinungen mit Fakten zu konfrontieren. Das ist eine Diskussionskultur, die immer mehr verloren geht und das ist gesellschaftlich sicher nicht förderlich. Es wäre natürlich ebenso schön gewesen, wenn die Skeptiker und Gegner dieser Veranstaltung auch vorher mit mir einmal gesprochen hätten.

epd: Warum halten Sie solche Formate für notwendig?

Gronich: Wie kann ein Diskurs überhaupt noch funktionieren, wenn jeder mit seinem Lautsprecher nur in die eigene Richtung spricht? Wenn wir hierzulande und auch im Nahen Osten künftig in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben wollen, braucht es Gesprächsfäden, um gerade die jetzt so verhärteten Gegensätze zu überwinden, auch wenn man nicht immer einer Meinung ist. Wenn alle nur noch übereinander und nicht miteinander reden, ist das eine sehr gefährliche Entwicklung – gesellschaftlich, politisch, sowie in der Diplomatie, im interreligiösen Dialog und für unsere Demokratie. (00/3082/16.10.2024)