Istanbul/Berlin – Mit einem Appell zur friedlichen Lösung von bewaffneten Konflikten ist im Mai der erste „Humanitäre Weltgipfel“ in Istanbul zu Ende gegangen. Die mehr als 170 teilnehmenden Staaten unterstützten die „Agenda für Humanität“, in der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Verhinderung und die Beendigung kriegerischer Auseinandersetzungen als überragendes Ziel der Weltgemeinschaft formulierte. Somit sollte die größte humanitäre Krise seit dem Zweiten Weltkrieg entschärft werden.
Aus Sicht von Hilfswerken stellt der Gipfel mit mehreren Tausend Vertretern aus Politik, Wirtschaft und von Nichtregierungsorganisationen – darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) – nur einen Anfang des Umdenkens dar. Zahlreiche Organisationen beklagten, dass politische Lösungen bei den Gesprächen in den Hintergrund gerückt seien.
Der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Till Wahnbaeck, sprach von einem eingeleiteten „Paradigmenwechsel“. „Wir müssen aus dem ständigen Krisenmodus rauskommen, mehr in Vorsorge investieren und dafür neue Akteure wie die Privatwirtschaft einbinden“, sagte Wahnbaeck. Es sei „ein gutes Zeichen“, dass viele Unternehmer an dem Gipfel teilgenommen hätten. Anders als der Klimagipfel in Paris sei der Humanitäre Weltgipfel aber kein Endpunkt mit konkreten Ergebnissen gewesen, sondern ein Anfang. „Der Gipfel war der Beginn eines Umdenkens“, sagte Wahnbaeck. Allerdings fehlten oft die Mittel, um Vorhaben zu verwirklichen. „Auf dem Gipfel hätte man mit wenig Anschubfinanzierung den Startschuss für neue Ideen geben können – wie zum Beispiel innovative Klimaversicherungen“, sagte Wahnbaeck. „Dass hierfür das Geld fehlt, ist eine vertane Chance“, kritisierte er. Hier fehle ein Umsetzungsplan.
Die Diakonie Katastrophenhilfe zog eine gemischte Bilanz. „Mit seiner Agenda für Menschlichkeit ist es UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gelungen, eine Dynamik zu erzeugen, die bisherige humanitäre Hilfe auf den Prüfstand zu stellen“, sagte Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel. Die politischen Interessen der Regierungen, die bislang eine effektive und gerechte Hilfe für Syrien verhinderten, seien jedoch nicht ausreichend thematisiert oder infrage gestellt worden. „Humanitäre Hilfe kann und darf kein Ersatz für politische Lösungen sein. Humanitäre Hilfe kann die dramatischen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die humanitären Prinzipien und die Gewaltexzesse gegen die Zivilbevölkerung nicht beenden“, betonte Füllkrug-Weitzel. Es brauche politische Lösungen und diese seien beim Gipfel zu kurz gekommen. „Da hilft auch nicht eine bessere Verzahnung von humanitärer Hilfe mit Entwicklungshilfe – auch wenn das ein wichtiges Thema ist“, so Füllkrug-Weitzel.
Als positiven Beitrag des Weltgipfels bewertete die Diakonie eine Stärkung lokaler Hilfsorganisationen. Der Runde Tisch zur Finanzierung humanitärer Hilfe habe sich klar dafür ausgesprochen, Bargeldtransfers auszubauen, den Zugang zu Finanzmitteln für lokale Akteure zu vereinfachen und nicht-zweckgebundene Mittel zu erhöhen.
Die Entwicklungsorganisation Oxfam beklagte indes, dass Deutschland sich nicht an einem neuen Hilfspaket zur Finanzierung von Bildung in Krisengebieten beteilige. Bildung sei ein Menschenrecht und Deutschland habe die Chance vertan, hier nachhaltig aktiv zu werden. epd/KNA
Artikel teilen:
Erster Beginn eines Umdenkens
Hilfswerke ziehen gemischte Bilanz der zweitägigen Gespräche am Bosporus. Welthungerhilfe: Umsetzungsplan fehlt. Diakonie: Politische Lösungen zu kurz gekommen

picture alliance / AP Images