Die erste gehörlose Abgeordnete des Bundestags zieht nach 100 Tagen im Parlament ein positives Fazit in Sachen Barrierefreiheit. Diese sei im Bundestag sehr groß, sagte Heike Heubach (44) in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Das bin ich bisher ganz anders gewohnt. Im Berufsleben musste ich oft für Gebärdensprachdolmetschende kämpfen, da gab es häufig Kostendebatten. Im Bundestag hingegen habe ich immer Dolmetschende zur Verfügung. Im Parlament habe ich noch keine Ausgrenzung erfahren. Da habe ich wirklich das Gefühl, fast gleichauf mit hörenden Menschen zu sein.”
Irgendwelche Kleinigkeiten gebe es natürlich immer, fügte Heubach hinzu. “Zum Beispiel kostet es mich wertvolle Zeit, dass meine Dolmetschenden, anders als ich und meine anderen Mitarbeitenden, immer durch die Sicherheitskontrollen gehen müssen, weil sie externes Personal sind.”
Heike Heubach: Als Säugling ertaubt
Die SPD-Politikerin Heubach aus Stadtbergen bei Augsburg rückte am 20. März für Uli Grötsch in den Bundestag nach, nachdem dieser zum Polizeibeauftragten des Bundes berufen worden war. Die Industriekauffrau und verheiratete Mutter zweier Töchter ist vermutlich nach einer Mittelohrentzündung als Säugling ertaubt. Nach Angaben des Deutschen Gehörlosen-Bundes leben in Deutschland ungefähr 80.000 Menschen, die taub sind oder eine Hörbehinderung haben.
Im Alltag habe sie durchaus schon Ausgrenzung wegen ihrer Behinderung erlebt, “allerdings wohl eher unbeabsichtigte”, ergänzte die Sozialdemokratin. “Was zum Beispiel immer wieder vorkommt: Ich sitze in einer Gesprächsrunde ohne Dolmetschende, und die Unterhaltung geht munter durcheinander. Dann frage ich nach und da heißt es oft: ‘Ach, das war gar nicht wichtig.’ War es vielleicht wirklich nicht, aber die Entscheidung liegt bei mir, ob es wichtig ist.”