Einmal im Jahr um den 16. August herum – dem Todestag von Elvis Presley – herrscht in Bad Nauheim der Ausnahmezustand. Männer mit Schmalztolle und vor allem viele Frauen mit Petticoat und Schleifen im Haar streifen durch die beschauliche hessische Kurstadt, die 35 Kilometer von Frankfurt am Main entfernt ist. „Love me Tender“ schallt aus der Lautsprecherbox eines Cafés, Boutiquen bieten Elvis-T-Shirts feil, Musiker versuchen sich in Kneipen an des Songs des „King of Rock’n’Roll“. Ein Restaurant lockt mit „Elvis Spaghetti“.
Noch bis Sonntag läuft das 23. European Elvis Festival, das am Freitag startete. Insgesamt rund 10.000 Fans werden an drei Tagen zu dem Stelldichein von Elvis-Fans aus aller Welt erwartet, wie Maria Hesterberg von der Elvis-Presley-Gesellschaft (EPG) erzählt. Gemeinsam mit der Stadt Bad Nauheim veranstaltet der Verein das Festival, das Leben und Werk des US-amerikanischen Entertainers würdigen will. Elvis, der dieses Jahr 90 Jahre alt geworden wäre, lebte dort während seiner Armeezeit von 1958 bis 1960, stationiert war er im nahen Friedberg.
Den Geist von Elvis, der im Alter von nur 42 Jahren am 16. August 1977 starb, glaubt man bei dem Festival zu fühlen. Die Innenstadt rund um das Hotel Dolce beim Kurgarten und die Trinkkuranlage verwandelt sich in eine große Rock’n’Roll-Party: Es gibt Stadtführungen auf den Spuren von Elvis, Konzerte mit Tribute-Bands, einen Fan-Markt mit Devotionalien, eine Rundfahrt von chromblitzenden Classic Cars sowie Workshops, wo man ein T-Shirt mit dem Konterfei seines Idols bemalen kann. Auch Ehrengäste sind dabei – in diesem Jahr die US-Schauspielerin Linda Thompson, die mit Elvis zeitweise liiert war, und dessen Pianist Per-Erik Hallin.
Die beiden Schwestern Iris und Kerstin aus Freiburg kommen jedes Jahr zum Festival. „Es ist wie eine Elvis-Familie, die sich nach Jahren trifft“, sagt Iris. Seit ihren Kindertagen lieben die beiden Mittfünfzigerinnen die Musik von Elvis, mehrfach sind sie an sein Grab nach Memphis/Tennessee in den USA gepilgert. Magisch sei es, dass er auch fast 50 Jahre nach seinem Tod noch immer Menschen von überallher zusammenbringe, sagen die Schwestern.
Eine Würzburgerin, stilecht im Petticoat mit Erdbeermuster, hat den katholischen Feiertag Mariä Himmelfahrt genutzt, um zum Festival zu fahren. „Er war so ein hübscher Mann“, sagt sie, traurig sei es, dass Elvis so früh gestorben sei. Auf Elvis kam sie über ihre Oma, wie sie erzählt. Neben seiner Bronze-Statue auf der „USA-Brücke“ macht sie ein Erinnerungsfoto.
Vor dem Haus in der Goethestraße 14, wo Elvis bis zu seiner Heimreise im März 1960 wohnte, hat sich auch Michael Fritzsche eingefunden. Stilecht trägt er eine Ausgehuniform wie der Soldat Elvis in dem Film „G.I. Blues“. Mit seiner Band „The King Creole“ interpretiert der Sänger aus dem bayerischen Bad Kissingen vor allem die Musik aus seiner Zeit in Deutschland. „Elvis verbindet Generationen“, sagt Fritsche, der mit Frau und Tochter angereist ist. Warum gerade Elvis? „Das ist meine Kindheit“, sagt die 20-jährige Lisa-Marie – sie trägt den Namen der verstorbenen Elvis-Tochter.
Auch die mobile Frittenbude „Church & Chips“ des evangelischen Dekanats Wetterau hat am Rande des Festivals bei der Dankeskirche geparkt. „Wir wollen mit den Leuten ins Gespräch kommen“, sagt Dekan Volkhard Guth.
Auf der Gedenkstätte auf dem Elvis-Presley-Platz haben Fans Blumen, Kränze, Fotos und Briefe abgelegt. Die Stammtischgruppe „King am Rhing“ hat dort in Herzform aufgestellte Bierflaschen hinterlassen. Im angrenzenden Hotel Villa Grunewald wohnte Elvis zunächst mit seiner Familie und Freunden.
Anna-Lena aus dem nordrhein-westfälischen Düren betrachtet die Elvis-Stele und schüttelt den Kopf. „Er ist gar nicht gut getroffen“, befindet die 25-jährige Erzieherin im schwarzen Fifties-Kleid, die ein Elvis-Tattoo auf der rechten Schulter hat. Manche ihrer gleichaltrigen Freunde verstünden ihre Liebe zu dem Künstler nicht. „Ein, zwei Lieder ertragen sie, dann heißt es aber: Mach die Rentner-Musik aus.“ Ihren Kita-Kindern spiele sie manchmal Elvis-Lieder vor, sagt die junge Frau. „Sie fragen immer nach dem Mann mit den schwarzen Haaren.“
Die Sonne neigt sich, die Fans zieht es zur Trinkkuranlage, wo „Elvis & the Hipshooters“ zur Festivaleröffnung spielen. Noch immer werde Elvis als „außergewöhnlicher Mensch“ nicht ausreichend gewürdigt, sagt seine Ex-Freundin Linda Thompson. „Es ist unsere Aufgabe, dass sein Vermächtnis weiter lebt. Er ist unter uns.“