Für die Wirtschaft ist das nationale Lieferkettengesetz reine Bürokratie. Nun hat Kanzler Scholz bis Jahresende Entlastungen versprochen – aus Sicht von Entwicklungsexperten ein fataler Schritt.
Für entwicklungspolitische Akteure ist das geplante Aufweichen des deutschen Lieferkettengesetzes ein fatales Signal. “Wir können die Gewinne unserer Unternehmen – auch in Zeiten geringen Wachstums – nicht länger gegen ein bisschen mehr oder weniger Kinderarbeit oder ein bisschen mehr oder weniger Umweltzerstörung abwägen”, sagte der Vorstandsvorsitzende des entwicklungspolitischen Dachverbands Venro, Michael Herbst, auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch.
Herbst reagierte damit auf die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), noch bis Jahresende das bestehende nationale Lieferkettengesetz im Sinne der Industrie zu ändern, um Bürokratie abzubauen. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte in den vergangenen Monaten der Wirtschaft deutliche Reformen an der bestehenden Lieferkettensorgfaltspflicht zugesagt, da es absehbar eine EU-weite Regelung gibt.
Habecks Idee, die nationale Regelung auszusetzen, stieß bei Nichtregierungsorganisationen jedoch auf große Kritik. Auch Juristen äußerten erhebliche Bedenken an diesem Vorschlag. Aus Sicht der Entwicklungsorganisation Oxfam ist das Gesetz viel mehr als ein “nice-to-have”.
Das seit zwei Jahren geltende deutsche Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern zur Einhaltung bestimmter Sorgfaltspflichten. Ziel ist, dass menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken vermieden oder beendet werden. Die deutsche Wirtschaft beklagt einen bürokratischen Aufwand der Regelung und fordert Änderungen. Vergangene Woche war indes ein Antrag aus der Union zur Aufhebung des Lieferkettengesetzes im Bundestag gescheitert.