Berlin – Es ist schon beachtlich, welches Gezerre sich die große Koalition um die Reform des sogenannten Pflege-TÜV liefert. Seit Monaten streiten Union und SPD darum, ob die Pflegenoten für die 12 000 Heime und ebenso viele Pflegedienste weiter erhoben werden sollen.
Kaum, dass sich die Experten aus Union und SPD dem Vernehmen nach darauf verständigt hatten, das Bewertungssystem bis auf Weiteres fortzuführen, widersprach der Pflegebeauftragte der Bundesregierung: Er werde weiter für das Aus der Pflegenoten kämpfen, weil sie „die Bürger in die Irre führen“, sagte Staatssekretär Karl-Josef Laumann (CDU). Er wolle in den nächsten Wochen weiterhin versuchen, bei der SPD Überzeugungsarbeit zu leisten. Ende August will sich das Bundeskabinett damit befassen.
Niemand ist glücklich mit dem Pflege-TÜV
Fest steht, dass niemand mit dem Pflege-TÜV glücklich ist. Bis 2018 soll das System grundlegend überarbeitet werden. Für die Zwischenzeit schlägt Laumann vor, die jährlich erstellten Prüfberichte des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) zu veröffentlichen. „Viel zu kompliziert und unverständlich“, monieren die Kritiker. Die SPD befürchtet, dass das vorzeitige Aus für die Pflegenoten auch das Aus für eine verbraucherfreundliche Überprüfung der Heime bedeuten könnte. Die derzeitige Benotung sei immer noch besser als gar keine Bewertung.
Dabei waren die Pflegenoten 2009 mit großen Erwartungen eingeführt worden: Angehörige sollten schnell ein gutes Heim oder eine ambulante Pflegestation für pflegebedürftige Familienmitglieder finden können. Alle Einrichtungen werden jährlich vom MDK überprüft und anhand von rund 70 Kriterien mit Schulnoten bewertet. Das Ergebnis wird im Internet veröffentlicht. Der gewünschte Nebeneffekt: Der Pflege-TÜV soll auch den Wettbewerb zwischen den Einrichtungen befeuern.
Doch Laumann zieht eine ernüchternde Bilanz. „Es werden bewusst Schwachstellen vertuscht, damit keine Pflegeeinrichtung schlechter dasteht als andere“, kritisiert der CDU-Politiker. Alle Heime erhielten im Bundesdurchschnitt die Note 1,3 – für Kritiker und Angehörige ein Hohn angesichts der Zustände in den Heimen. Kritik entzündet sich insbesonderedaran, dass keine K.O.-Kriterien bestehen.
„Singen eins, Mathe sechs – in der Schule bleiben Sie damit hängen, im Bereich der Pflege erhalten Sie die Durchschnittsnote drei“, kritisiert die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Ein guter Speiseplan könne schlechte Pflege ausgleichen.
Laumann will den Kassen und den Heimbetreibern die Verantwortung für das Notensystem entziehen. Er fordert ein unabhängiges Expertengremium, das festlegen soll, wie die Ergebnisse der Prüfberichte unverfälscht und leicht verständlich veröffentlicht werden können. Dementsprechend verständigten sich die Gesundheitspolitiker der Koalition am Freitag darauf, die „Schiedsstelle Qualitätssicherung“ weiterzuentwickeln. Dem neuen „Qualitätsausschuss“ werden künftig je zehn Vertreter der Kassen sowie der Heime und Dienste angehören. Vertreter der Pflegebedürftigen haben Rederecht, dürfen aber nicht mitbestimmen.