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Endlich mal Ökumene genießen

Die Öffnung der Kommunion war eines der meistdiskutierten Themen auf dem Katholikentag in Münster. Laien haben darauf ihren eigenen Blick – evangelisch wie katholisch

Er wollte sich auf dem Katholikentag in Münster inspirieren lassen, ein paar interessante Vorträge hören und Anregungen zum Nachdenken finden. Mit einer neuen religiösen Erfahrung hatte der Protestant Dieter Reetz, ein 79-jähriger Ruheständler aus dem nordrhein-westfälischen Nordkirchen, nicht gerechnet. Doch dann entschied er sich spontan dazu, an einer katholischen Eucharistiefeier teilzunehmen. „Das war das erste Mal“, erzählt er. „Bis dahin habe ich gezögert. Da war ich noch nicht soweit.“

Als Protestant zum katholischen Abendmahl

Vielleicht hing Reetz' Beschluss mit dem Gemeinschaftsgefühl zusammen, an Christi Himmelfahrt als einer von 25 000 Menschen an einem Gottesdienst unter freiem Himmel auf dem Schlossplatz teilzunehmen. Oder auch mit der Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der am Vortag bei der Eröffnung des diesjährigen Christentreffens mehr Anstrengungen für das gemeinsame Abendmahl gefordert hatte.
„Wahrscheinlich war es auch ein lange aufgestautes Bedürfnis“, überlegt Reetz laut, der in der Vergangenheit schon häufig katholische Gottesdienste besucht hat. Aber jetzt schien ihm der richtige Moment dafür gekommen, gemeinsam mit Katholiken zur Kommunion zu gehen. „Hinterher fühlte ich eine tiefe Befriedigung“, sagt Reetz.
Dass Katholiken und Protestanten ein unterschiedliches Verständnis vom Abendmahl haben, ist ihm bewusst. Dass es in der katholischen Kirche deshalb bisher nicht vorgesehen ist, dass Protestanten an der Eucharistie teilnehmen, auch. Aber Papst Franziskus hätte sicher nichts dagegen, ist Reetz überzeugt. Außerdem gingen viele Protestanten in der Praxis ja längst mit zur Kommunion.
Zuletzt hatte jedoch selbst der Versuch, die Eucharistie für jene Protestanten zu öffnen, die mit Katholiken verheiratet sind, für Kontroversen unter katholischen Bischöfen gesorgt. In Münster äußerten sowohl der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, als auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, die Hoffnung auf eine einvernehmliche Lösung.
Die Öffnung der Kommunion zumindest für protestantische Ehepartner wäre wohl auch im Sinne der meisten katholischen Laien. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die Teilnahme von Ehepaaren unterschiedlicher Konfession an katholischen Eucharistiefeiern in der Praxis gut funktioniere.

Schluss mit den „Haarspaltereien“

Die Ansicht, dass ökumenische Fortschritte wünschenswert wären, wird von vielen Besuchern des Katholikentags geteilt. Bettina Drummer zum Beispiel, Katholikin aus Bayern und eine der rund 2000 Helferinnen, findet, es sei doch schön, wenn man den Glauben gemeinsam leben könne, da solle man doch nicht die Unterschiede betonen. Der Bundespräsident habe ihr aus der Seele gesprochen, erzählt die 27-Jährige.
Eine Sozialarbeiterin berichtet, dass in den katholischen Gottesdiensten in dem Pflegeheim, in dem sie tätig ist, auch immer wieder Protestanten die Kommunion empfingen. Und eine andere Besucherin des Katholikentags meint, sie stamme zwar aus einem streng katholischen Elternhaus, aber inzwischen halte sie ein gemeinsames Abendmahl für vertretbar.
Christian Behrendt findet, man könne jetzt „endlich mal die Ökumene genießen“. Der 73-jährige Katholik ist Religionslehrer. Für ihn ist die Debatte „Haarspalterei“. Dass Dieter Reetz mit ihm gemeinsam zur Kommunion gegangen sei, habe ihn überhaupt nicht gestört, erzählt Behrendt. „Im Gegenteil: Das ist völlig in Ordnung. Wir haben ja auch beide kräftig mitgesungen.“