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Empathische Botschafterin für die Kraft des Glaubens

Adelheid Ruck-Schröder hält sich nicht lange mit Vorreden auf. „Ausrichtung nach vorn“, sagte die 59-jährige Theologin am Sonntag in ihrer ersten Predigt als neue Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. Der Ort ihrer Amtseinführung – die Zionskirche in Bielefeld-Bethel – nimmt sie als gutes Vorzeichen für ihre gerade begonnene achtjährige Amtszeit an der Spitze der viertgrößten deutschen Landeskirche mit 1,9 Millionen Mitgliedern: „Der Berg Zion ist ein Sinnbild für visionäre Kraft und Hoffnung.“

Die neue Spitzenvertreterin der westfälischen Kirche weiß um die schwierigen Aufgaben, die vor ihr liegen: Die Finanz- und Mitgliederkrise erfordert einen schnellen und tiefgreifenden Wandel von Strukturen und kirchlichem Leben. „Es wird nicht so weitergehen wie bisher“, sagt die promovierte Theologin. „Manche haben Angst vor Veränderung, anderen kann es mit dem Umbau nicht schnell genug gehen.“ Auch die Turbulenzen rund um den Rücktritt ihrer Amtsvorgängerin Annette Kurschus im November 2023 wirken noch nach.

Die neue Präses hat kein fertiges Programm zur Lösung der Probleme, das sie präsentieren könnte, aber sie zeigt eine Richtung an: Auftrag der Kirche sei, Menschen in ihrem Christsein zu stärken und das Evangelium zu kommunizieren. Mut schöpft Ruck-Schröder aus einer ungewöhnlichen Perspektive: Es gelte, die Dinge vom Ende, „von der eigenen Endlichkeit her“ zu denken, sagt sie. Das habe etwas Befreiendes und weite den Blick: „Vom Zuletzt her auf die gegenwärtige Herausforderung und Krise zu blicken, hilft mir, konkrete Fragen in einen größeren Horizont zu stellen und die mutigere Version zu wählen.“

Die bisherige Regionalbischöfin für den Sprengel Hildesheim-Göttingen der hannoverschen Landeskirche versprüht die Lust, neu aufzubrechen – gemeinsam mit anderen, wie sie betont. Bei ihrer Wahl zur westfälischen Präses erhielt sie im März mehr als 96 Prozent der Stimmen. In Ruck-Schröder liege „ein herzhafter, vitaler Hoffnungstrotz, der wohl zukünftig generell zur Haltung von Kirche gehören wird“, sagte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, bei der Amtseinführung.

Charakteristisch für die Präses sei eine „von Herzen kommende Unerschrockenheit verbunden mit der Lust, loszugehen“. Gemeinsam mit anderen wolle sie die westfälische Kirche voranbringen – kommunikativ, sachlich und in Demut: „Es gilt eben, Dinge, Prozesse, Strukturen, auch Leitungsstrukturen neu zu denken.“

Die zugewandte und empathische neue Präses, die eher zurückhaltend auftritt und sich als Teamplayerin versteht, bringt für ihr neues Leitungsamt viel Erfahrung mit: aufgewachsen in einem Pfarrhaushalt, seit 30 Jahren verheiratet mit dem Göttinger Theologieprofessor Bernd Schröder, verschiedene kirchliche Tätigkeiten vom Gemeindepfarrdienst über Berufsschultätigkeit bis zur Ausbildung des theologischen Nachwuchses. Ihren persönlichen Glauben beschreibt sie mit den Worten Vertrauen und Lebensmut.

Adelheid Ruck-Schröder wurde am 1. Mai 1966 in Bietigheim geboren und wuchs als drittes von vier Kindern im Raum Stuttgart in einem „offenen Elternhaus“ auf, Kirche erlebt sie als Raum der Freiheit. Trotz Bedenken ihrer Eltern ging sie ab der neunten Klasse auf ein evangelisches Internat. Sie studierte Theologie in Tübingen und Berlin, wo sie ihren aus Ostwestfalen stammenden späteren Ehemann kennenlernte. 1994 wechselte sie von der württembergischen in die westfälische Landeskirche.

Auf das Vikariat in Halle/Saale und Münster folgte eine erste Anstellung als Pfarrerin in Havixbeck bei Münster, dann zog sie mit ihrem Mann und ihren beiden inzwischen erwachsenen Kindern für zehn Jahre nach Saarbrücken, wo sie als Berufsschulpfarrerin tätig war. Viel Erfahrung sammelte die Theologin in dieser Zeit mit Verkündigungssendungen im Saarländischen Rundfunk, von 2010 bis 2012 war sie Sprecherin der Sendung „Wort zum Sonntag“ in der ARD.

Als ihr Mann einen Ruf an die Universität Göttingen erhielt, wurde sie dort für drei Jahre Gemeindepfarrerin und übernahm dann für sechs Jahre die Leitung des Predigerseminars im niedersächsischen Kloster Loccum, mit einer Kollegin schrieb sie ein Buch über den Pfarrberuf. 2021 wurde sie zur Regionalbischöfin für den Sprengel Hildesheim-Göttingen ernannt. Seit Sonntag ist sie Präses der westfälischen Kirche.