Familie, Intrigen, Macht – der Mordfall um den Kölner Erzbischof Engelbert hat das Zeug zum Thriller. Zum 800. Jahrestag des Attentats lohnen sich neue Blicke auf den mittelalterlichen Kriminalfall.
Ganze 47 Hiebe und Stiche, ausgeführt mit großer Gewalt und im Blutrausch, führten zum Tod des Erzbischofs. Der Mord an Engelbert von Köln vor 800 Jahren, wie ihn dessen Chronist Caesarius von Heisterbach in seinem Werk schildert, stellt in puncto Grausamkeit manche Horrorstreifen in den Schatten.
Nun sind mittelalterliche Quellen in ihrem Wahrheitsgehalt mit Vorsicht zu genießen. Eine gerichtsmedizinische Untersuchung der Knochen des Erzbischofs im Jahr 1979 ergab aber tatsächlich eine Zahl von 40 bis 50 Verletzungen und Knochenbrüchen, die Engelbert von seinen Mördern zugefügt worden waren.
Dabei wurde der Geistliche nicht Opfer eines zufälligen Raubüberfalls. Der Angriff auf ihn war wohl geplant. In einem Hohlweg bei Gevelsberg in Westfalen lauerten die Attentäter dem Erzbischof auf, der sich am 7. November 1225 auf dem Rückweg von Soest befand. Sie umstellten Engelbert und zerrten ihn vom Pferd. Der für seine Zeit große und kräftige Kirchenmann konnte sich demnach wohl zunächst losreißen und versuchte, zu fliehen. In einem Gebüsch am Wegesrand wurde er dann jedoch gestellt, worauf die angesprochene Gewaltorgie folgte.
Dem Mord lag ein politischer wie innerfamiliärer Konflikt zugrunde. An der Spitze der Verschwörer stand Friedrich, Graf von Isenberg, ein Vetter zweiten Grades des Erzbischofs. Beide hatten sich noch kurz zuvor an Allerheiligen in Soest getroffen, um einen Streit beizulegen – jedoch vergeblich. Engelbert wollte dem Isenberger die einkömmliche Vogtei über das Reichsstift Essen entziehen, nachdem die Essener Stiftsdamen Klage bei Kaiser und Papst gegen Friedrichs Amtsführung eingelegt hatten.
Den ergebnislosen Verhandlungen in Soest sollte dann ein neuerliches Gespräch in Köln folgen, von dem Friedrich fürchten musste, dass es zu seinen Ungunsten enden würde. Das motivierte wohl das schnelle und selbst für die damalige Zeit unerhörte Vorgehen des Grafen.
Aber war es wirklich Friedrichs Absicht, den Erzbischof zu töten? Die Historikerin Katharina Hülscher hält das für unwahrscheinlich. “Friedrich musste klar sein, dass er dadurch alles verlieren und er zum Gejagten wird. Ich glaube, da ist ein Plan komplett aus dem Ruder gelaufen.” Denkbar ist, dass Friedrich den Erzbischof nur festsetzen wollte, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Wahrscheinlich wurde der Isenberger dabei aber von den “falschen Leuten” begleitet, die sich nicht mehr unter Kontrolle hatten, so Hülscher.
Die Historikerin kuratiert eine neue Ausstellung des Essener Domschatzes um den Mordfall, die am Samstag eröffnet wird. Bei der Schau mit dem Titel “Eine Mord(s) Geschichte. Selbstbewusste Frauen, machthungrige Männer und der Tod Engelberts” werden jedoch nicht nur der Erzbischof und sein Mörder im Vordergrund stehen. “Vor allem der Blick auf die Frauen des Essener Stifts wird ausgeprägter sein, die standen in Ausstellungen bislang weniger im Fokus.”
Denn mit dem Mord an Engelbert und der Hinrichtung Friedrichs sei der Streit um die Essener Vogtei mitnichten beendet gewesen. “Wir wollen deshalb einen Blick darauf werfen, welche Möglichkeiten Frauen machtpolitisch hatten, wie sie sich auch wehren konnten.”
Dabei geht es auch um das Verhalten des Erzbischofs gegenüber den Frauen. Als “Retter in der Not” für das bedrängte Stift sei er sicher nicht zu sehen, erklärt Hülscher. “Nach der ersten Beschwerde der Essener Frauen hat er erstmal fünf Jahre gar nichts gemacht. Vielleicht weil er die Situation nicht als so drängend empfand, vielleicht auch, weil er damals erst noch sehr gut mit seinem Verwandten Friedrich stand.”
Die Handlungsaufforderung sei erst durch die Beschwerde der Stiftsdamen bei Papst und Kaiser drängend geworden. Zudem sei Engelberts Parteinahme für die Frauen wohl auch nicht uneigennützig. “Man sieht auch an anderer Stelle, dass der Erzbischof den Verfügungsrahmen der Vogte in seinen Landen stark beschneiden will. Das macht er aber nicht aus gutem Willen, damit sind seine politischen Interessen verbunden.”
Auch für Friedrich von Isenberg endete die Geschichte auf grausame Weise. Schon im Folgejahr wurde er in Lüttich erkannt und an den neuen Kölner Erzbischof Heinrich von Müllenark ausgeliefert. Der Nachfolger von Engelbert hatte nach seiner Wahl, nur eine gute Woche nach dem Attentat, versprochen, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.
Fast genau ein Jahr nach dem Mord, am 13. November 1226, wurde Friedrich vor dem Kölner Stadttor gerädert, eine der qualvollsten Hinrichtungsarten, die das Mittelalter bot und die Schwerverbrechern vorbehalten war. Sein Körper, mit gebrochenen und verdrehten Armen und Beinen, wurde den Vögeln zum Fraß überlassen.