Kirche ist kein Selbstzweck. Als vor Kurzem Vertreterinnen und Vertreter beider großer Kirchen in Essen zusammenkamen, um darüber zu debattieren, wozu die Kirche eigentlich da ist, da fiel auch dieser Satz. Es war Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, die ihn in die Runde warf.
Was wie eine Binsenweisheit daherkommt und eigentlich selbstverständlich sein sollte, könnte dennoch Anlass zum Innehalten sein – vor allem angesichts der Veränderungsprozesse, in denen die Kirche aktuell steckt. Der Traditionsabbruch und der drohende Verlust der vertrauten Sicherheiten schreien förmlich danach, über Prioritäten nachzudenken.
Verantwortung für die ganze Gesellschaft
Wozu also ist die Kirche da? Und für wen? Für ihre (zahlenden) Mitglieder, für ihre Gemeinden? Ganz sicher. Sie alle zusammen machen schließlich erst Kirche aus. Daneben aber übernehmen die Kirchen Verantwortung für die ganze Gesellschaft: Mit ihren diakonischen und sozialen Einrichtungen und ihren verschiedenen Seelsorgeangeboten erreichen sie auch Menschen außerhalb der Gemeindegrenzen.
Damit ist wohl das angesprochen, was Anna-Nicole Heinrich mit ihrem Satz „Kirche ist kein Selbstzweck“ gemeint haben dürfte: Im Sinne Jesu ist Kirche nur dann Kirche, wenn sie auch Kirche für Andere ist, wenn sie an der Seite von Menschen in Notlagen steht. Und zwar nicht als Lobbyistin, nicht nur in Form von politischen Stellungnahmen (obwohl die sicherlich auch immer wieder wichtig sind), sondern ganz praktisch in Form von konkreter Hilfe.
Wertschätzung für Seelsorge außerhalb von Gemeinde
Menschen, die in Seelsorgebereichen außerhalb der Gemeinden arbeiten, erleben täglich, dass ihr Dienst wertgeschätzt wird von den Menschen, die in Krisensituationen Beistand und ein offenes Ohr benötigen. Egal, ob die Hilfesuchenden ihrem Bekenntnis nach evangelisch sind, katholisch, muslimisch, jüdisch oder gar nichts.
In Kliniken, Kureinrichtungen oder Gefängnissen wartet die Kirche nicht, dass die Leute zu ihr kommen, sie geht zu ihnen hin. Ebenso wie bei Unfällen oder Naturkatastrophen. Die Notfallseelsorge ist heute nicht mehr wegzudenken. Und jeder zweite Soldat/jede zweite Soldatin nimmt die Dienste der Militärseelsorge in Anspruch.
Kirche sollte Trostspenderin für alle bleiben
Kirche müsse „Trostspender“ sein, sagte der TV-Moderator Günther Jauch bei der zitierten Debatte in Essen. Zum Glück ist sie es schon. An vielen Stellen. Aber sie sollte es auch bleiben.