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Ein schwedischer Rettungsring

Die 18-jährige Charlotte Weber-Spanknebel aus Berlin-Neukölln lebt im Moment in Schweden. Dort nimmt sie am Freiwilligenprogramm des Berliner Missionswerkes teil und engagiert sich in einer schwedischen Kirchengemeinde. Ihr ständiger Begleiter: ein Armband mit 18 Glaubensperlen ….

Foto: Charlotte Weber-Spanknebel

Von Charlotte Weber-Spanknebel

Wenn du mindestens zweimal am Tag ein Päuschen für „Fika“, also für eine Kaffeepause, einlegst. Wenn du deinen Chef duzt. Wenn du im Park um die Ecke Elche füttern kannst. Wenn du die Sonne im Winter nur alle 5 Tage zu Gesicht bekommst. Wenn du dir die Butter mit einem speziellen Buttermesser auf dein Knäckebrot schmierst. Wenn du für das zur Schule gehen bezahlt wirst. Wenn du in ein und demselben Land 15 Stunden mit dem Auto schnurstracks „nach oben“ fahren kannst, ohne das Land überhaupt ansatzweise zu verlassen. Wenn du kurz vor Weihnachten einen brennenden Kranz auf den Kopf gesetzt bekommst und dich dabei drei Leute mit Wassereimern anstarren. Wenn du den Tag der Zimtschnecke zelebrierst. Und wenn du dich dabei ganz unglaublich wohl fühlst, ja, dann bist du mitten im wunderbaren Schweden.Hej, mein Name ist Charlotte Weber-Spanknebel, hier drüben und auch sonst nennen mich alle „Lotti“. Ich bin fast 19 Jahre alt, in Berlin-Neukölln aufgewachsen und habe mich im letzten Jahr dafür entschieden, am Freiwilligenprogramm des Berliner Missionswerkes teilzunehmen. Und ich kann jetzt schon sagen, ich bin dankbar, diesen Schritt gewagt zu haben, vor allem mit der wunderbaren Unterstützung vom Berliner Missionswerk.In einer normalen Arbeitswoche begegnen mir an meinem Arbeitsplatz, einer schwedischen Kirchengemeinde im Osten Göteborgs, 20 entzückende Babys in Eltern-Kind-Gruppen. 25 Grundschulkinder unseres Schülerhorts. 15 Kinder des Kinderchors. 30 Jugendliche des Konfirmandenunterrichts und der Jugendgruppe. Und 30 Senioren, die sich an unseren Suppen-Donnerstagen im Gemeindesaal zusammenfinden. In ganz Schweden gehörten im Jahr 2013 fast 6,4 Millionen Menschen der „Svenska Kyrkan“, der „Schwedischen Kirche“ und damit der größten Glaubensgemeinschaft Schwedens an. Seit dem Jahr 2000 handelt es sich bei der „Svenska Kyrkan“ nicht mehr um die Staatskirche. Sie ist geprägt von evangelisch-lutherischen Einflüssen und damit protestantisch.Guck mal raus! Was für ein schönes Blau das ist. Nach gefühlt drei Monaten kompletter Dunkelheit zeigt sich langsam wieder die Sonne. Ich schaue durch das große Fenster des Kissenraums unseres Schülerhorts. Kein Wölkchen ist zu sehen. Blau ist auch diese eine Perle am meinem Armband. Ich sitze mitten auf der Krabbelwiese, zwischen all den Babys unserer Dienstags-Eltern-Kind-Gruppe, fühle mich pudelwohl. Plötzlich ziept es an meiner einen Hand. Es ist der kleine Jonas, der auf das besagte Armband aufmerksam geworden ist. Ich vergesse jedes Mal, es abzunehmen, auch heute wieder. Jonas liegt auf dem Bauch, hat alle Viere von sich gestreckt und bewundert jetzt jede der insgesamt 18 Perlen einzeln.Die Gottesperle, die Perlen der Stille , die Ich-Perle, Taufperle, Wüstenperle, die schöne blaue Perle der Gelassenheit, die zwei Perlen der Liebe, drei Geheimnisperlen, die Perle der Nacht und die Perle der Auferstehung.Im Jahr 1995 hatte der schwedische Bischof Martin Lönnebo die Idee für die sogenannten „Glaubensperlen“, für den „Frälsarkrans“, übersetzt „Rettungsring“. Die Idee, verschiedene Aspekte des Lebens und Glaubens in Form von Perlen miteinander zu verbinden und jedem, der möchte, „hautnah“ näher zu bringen.

Du glaubst gar nicht, wie viele der Menschen, denen ich hier schon begegnet bin, die Glaubensperlen getragen haben. Und wie oft ich da manchmal raufschaue, auch ganz so konzentriert wie Jonas, der gerade dabei ist, langsam seine Zunge in Richtung Armband auszufahren. Mit dem Freiwilligenjahr hab ich mich dafür entschieden endlich mal auf eigenen Beinen zu stehen, frische und vor allem neue Luft zu schnuppern, ein neues Land, dessen Kultur, Sprache und vor allem auch all die lieben Leute dort kennenzulernen. Und dazu gehören auch ganz schön viele Herausforderungen. Da hilft es manchmal, einfach durchzuatmen. Mit den Augen nicht nur hilfesuchend in den Himmel, sondern auch nochmal ganz woanders hinzuschauen. Und dann das zu entdecken, was du immer bei dir hast und mit dir trägst: den „Rettungsring“. Auch mit dieser himmelblauen Perle der Gelassenheit, die auf meiner Reise an immer mehr Bedeutung gewinnt und mir Vertrauen und Sicherheit auf all meinen Wegen schenkt.