Von Tilman Asmus Fischer
Der Förderverein „Konvikt Borsigstraße 5“ löste sich im 2018 auf, weil sein Vereinszweck – der Erhalt des früheren Sprachenkonvikts und heutigen Theologischen Konvikts – mit der Übernahme der Nutzung durch die Hilfswerksiedlung erfüllt war. Er übertrug er sein Vermögen auf die neugegründete „Gemeinschaft des Theologischen Konvikt Berlin e.V.“. Dies war mit dem Auftrag verbunden, eine für die Öffentlichkeit zugängliche Ausstellung zur Geschichte des historischen Gebäudekomplexes einzurichten. Dieses Vorhaben steht nun bald vor der Vollendung. Ab 2023 soll eine 13-teilige Schautafelausstellung im Hof des Konvikts die Geschichte dieses protestantischen Erinnerungsorts dokumentieren.
Ein Raum freien theologischen Denkens
Der Tenor wie die Bedeutungsvielfalt dieses Ortes treten bereits aus der Konzeption hervor: So liegt der Schwerpunkt, dem ein Teil der Ausstellung gewidmet ist, auf der kirchen- und zeitgeschichtlich gewichtigsten Epoche – derjenigen des Sprachenkonvikts, der staatsunabhängigen kirchlichen Hochschule in den Jahren der SED-Herrschaft. Hier geht es nicht nur um die Aufrechterhaltung eines Raumes freien theologischen Denkens, sondern zugleich um dessen Bedeutung für politisches Engagement aus christlicher Verantwortung.
Dies gilt insbesondere für die im Konvikt – unter Beteiligung evangelischer Theologen wie Markus Meckel – vorbereitete Gründung der Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP) im Oktober 1989. Zudem das Bündnis „Demokratie Jetzt“, zu dessen Gründern der am Konvikt tätige Kirchenhistoriker Wolfgang Ullmann zählte.
Ein Vorläufer der Bahnhofsmission
Jedoch geht die Geschichte des Theologischen Konvikts nicht in derjenigen der Opposition gegen die kommunistische Gewaltherrschaft auf. Vielmehr reicht sie zurück in das diakonische Wirken im Berlin der Kaiserzeit. Sie beginnt 1878 mit der Gründung des Waisenhauses „Zoar“, an das sich bald ein Heim für junge alleinstehende Frauen anschloss, die in die Hauptstadt zogen. Dieses Werk war eine der Institutionen, aus denen die Bahnhofsmission in Deutschland hervorging.
Zwischen den 1920er und 1950er Jahren waren zwischen der Borsig- und Tieckstraße verschiedene evangelische Institutionen angesiedelt, darunter bereits ein Studentenwohnheim. Studentisches Leben prägt seitdem die gesamte Anlage um die 1898 bis 1900 errichtete Golgathakirche.
Die gleiche Kuratorin wie am Erinnerungsort Dobbrikow
Als Kuratorin für die zukünftige Ausstellung konnte die Gemeinschaft des Theologischen Konvikts mit der freischaffenden Historikerin Martina Voigt eine Spezialistin für die Geschichte des Nationalsozialismus mit einem Schwerpunkt auf der Kirche im Dritten Reich gewinnen. Voigt hatte zuletzt den 2020 eröffneten Erinnerungsort für Heinrich Vogel im Pfarrhaus von Dobbrikow gestaltet. Ein Projekt im Auftrag der Landeskirche und der Kirchengemeinde in Kooperation mit der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Der prominente Vertreter der Bekennenden Kirche war nach Ende des Zweiten Weltkriegs Professor an der Kirchlichen Hochschule Berlin, die ihren Sitz in West-Berlin hatte und als deren Ost-Berliner Außenstelle das Sprachenkonvikt firmierte.
Woran es den Initiatoren gegenwärtig noch mangelt, sind historische Aufnahmen der Innenräume beziehungsweise des Studentenalltags früherer Generationen. „Es wäre schon schön, wenn wir zum Beispiel zeigen könnten, wie ein Studentenzimmer in den 1930er oder 1970er Jahren ausgesehen hat“, so Voigt. Frühere Konviktsbewohner und -bewohnerinnen – oder ihre Nachfahren –, die über Fotografien, Zeichnungen oder andere Dokumente der Hausgeschichte verfügen, sind gebeten, diese dem Konvikt zur Digitalisierung und möglichen Verwendung in der Ausstellung zur Verfügung zu stellen.
Informationen zum Konvikt unter: www.theologischeskonvikt.de