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Ein lobenswerter Brauch

Dankbar die Gaben genießen stärkt Leib und Seele. Gedanken zum Predigttext zu Erntedank. Von Rainer Metzner, Pfarrer im Kirchenkreis Berlin-Reinickendorf.

Predigttext am Sonntag Erntedank: 1. Timotheus 4, 4–15 Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet. Wenn du die Brüder und Schwestern dies lehrst, so wirst du ein guter Diener Christi Jesu sein, genährt durch die Worte des Glaubens und der guten Lehre, der du gefolgt bist. Die ungeistlichen Altweiberfabeln aber weise zurück; übe dich selbst aber in der Frömmigkeit! Denn die leibliche Übung ist wenig nütze; aber die Frömmigkeit ist zu allen Dingen nütze und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens. Das ist gewisslich wahr und wert, dass man es beherzigt. Denn dafür arbeiten und kämpfen wir, weil wir unsre Hoffnung auf den lebendigen Gott gesetzt haben, welcher ist der Heiland aller Menschen, besonders der Gläubigen. Dies gebiete und lehre. Niemand verachte dich wegen deiner Jugend; du aber sei den Gläubigen ein Vorbild im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Glauben, in der Reinheit. Fahre fort mit Vorlesen, mit Ermahnen, mit Lehren, bis ich komme. Lass nicht außer Acht die Gabe in dir, die dir gegeben ist durch Weissagung mit Handauflegung des Rates der Ältesten. Dies lass deine Sorge sein, damit gehe um, auf dass dein Fortschreiten allen offenbar sei.

Von Rainer Metzner

Coole Sprüche findet man heute auf allen möglichen Accessoires: Tassen, T-Shirts, Statement-Turnbeuteln. Manche sind genial, manche dumm, andere lustig, andere langweilig. Sprüche, die unter die Gürtellinie gehen, frech und frivol sind, kommen bei einigen gut an, bei anderen nicht. Aber das ist gezielt und gewollt: Provokation! Ob diese gelingt, ist eine andere Frage. Denn nicht jeder Spruch schlägt ein wie eine Bombe. Wie steht es zum Beispiel mit diesem? „Das ist schmutzig, falsch und moralisch höchst verwerflich! Bin dabei!“ Wer ein T-Shirt oder einen Turnbeutel mit dieser Aufschrift trägt, will cool und lässig sein. Seine oder ihre Botschaft: „Ich bin für jede Schweinerei zu haben – Hauptsache, sie macht Spaß!“ Menschen mit konservativen Moralvorstellungen wird das kein Vergnügen bereiten.

Die Frage, was moralisch richtig ist, kann aber nicht immer leicht beantwortet werden. Das war auch für die Christen des 1. Timotheusbriefes ein Problem. Einige Leute, mit denen sich der Brief auseinandersetzt, hielten es für verwerflich, dass Männer und Frauen heiraten. Zudem wurden Verbote erteilt, bestimmte Speisen (Fleisch, Wein?) einzunehmen. Diese streng asketischen Leute, die die Theologen wegen ihrer Erlösungslehre „Gnostiker“ nennen – das griechische Wort Gnosis bedeutet Erkenntnis –, hielten diese Welt für böse und entartet, für „schmutzig, falsch und moralisch höchst verwerflich“. Erlösung erlange nur derjenige, der den Kontakt mit allem Leib lichen und Materiellen aufgibt. Ihnen gegenüber empfiehlt der Briefautor eine gewissermaßen „weltliche“ Haltung christlicher Dankbarkeit. Gott hat uns die Gaben seiner Schöpfung zum Gebrauch und zum Genuss überlassen.

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