Lübeck. Er war bis ins hohe Alter als Autor aktiv und galt als konservativer Mahner seiner evangelischen Kirche. Im Alter von 93 Jahren ist der Lübecker Altbischof Ulrich Wilckens am Montag, 25. Oktober, in Bad Oldesloe gestorben. Wilckens war von 1981 bis 1991 Lübecker Bischof der Nordelbischen Kirche, die heute Teil der Nordkirche ist. Ende 2019 erschien sein letztes Buch: die Autobiografie „Warum ich Christ wurde“.
Sein spiritueller Weg war nach Wilckens eigenen Worten von zwei „Wundern“ geprägt. Wenige Wochen vor Kriegsende wurde er als 16-jähriger Soldat bei einem Kampfeinsatz von einem Panzer im Schützengraben überrollt, überlebte aber unverletzt. Dieses Wunder sei für ihn „ein Bekehrungserlebnis“ gewesen. Kurz darauf beschloss er, evangelische Theologie zu studieren.
Religionsfernes Elternhaus
Wilckens stammte aus einem religionsfernen Elternhaus, wurde aber dennoch getauft. In seiner Biografie äußerte er allerdings Zweifel, ob die Taufe überhaupt „nach dem christlichen Ritus der Kirche vollzogen“ wurde. Er selbst war nach eigenen Worten trotz seiner jüdischen Urgroßmutter Mitglied der Hitler-Jugend und für kurze Zeit auch Mitglied der Waffen-SS. 1941 zog die Familie aus dem unsicheren Hamburg in den Schwarzwald nach Hinterzarten.
Nach Stationen an den Universitäten Heidelberg, Marburg und Berlin wurde er 1960 Professor für Neues Testament an der Kirchlichen Hochschule Berlin. Um die Stasi in Ost-Berlin auszutricksen, sprach er mit den Kollegen gern auf Latein. 1968 ging er als Theologie-Professor nach Hamburg. Seine Übersetzung des Neuen Testaments war ein Bestseller und erreichte eine Auflage von knapp 200.000. Im Jahr 1981 wurde er zum Lübecker Bischof gewählt. Überregional bekannt wurde er auch durch seine Predigt bei der Trauerfeier für Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Uwe Barschel (CDU) im Oktober 1987.
Gegen Ende seiner Amtszeit erkrankte Wilckens an Bauchspeicheldrüsen-Krebs. Nach einer achtstündigen Operation hätten ihm die Ärzte maximal noch ein Jahr Lebenszeit gegeben, schreibt er. Dass er trotzdem geheilt wurde, sei für ihn „das zweite Wunder meines Lebens“. Als Pensionär publizierte er die sechsbändige „Theologie des Neuen Testaments“, die er auch als sein theologisches Vermächtnis betrachtete.
Jeden Sonntag zum Gottesdienst
Wilckens lebte bis ins hohe Alter in Lübeck und bemühte trotz zunehmender körperlicher Schwäche jeden Sonntag, den Gottesdienst im Dom zu besuchen. Er zählte zum konservativen Flügel der Kirche und meldete sich bisweilen zu Abtreibung und Homo-Ehe kritisch zu Wort. Er bemängelte, die Kirche würde sich heute zu sehr dem Zeitgeist anpassen und die geistliche Tiefe vernachlässigen. Die Nordkirche würdigte ihn 2018 zu seinem 90. Geburtstag mit einem Symposium.
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt nannte Wilckens einen streitbaren Theologen, den „eine tiefe persönliche Frömmigkeit prägte“ und dem die ökumenische Verständigung ein Herzensanliegen gewesen sei. Die Hamburg-Lübecker Bischöfin Kirsten Fehrs sagte, die Verbindung von wissenschaftlicher Forschung und kirchlicher Praxis habe sein Werk in besonderer Weise ausgezeichnet. „Bis zuletzt beobachtete Bischof Wilckens Kirche und Welt mit großer Aufmerksamkeit.“ (epd)