Kartlow. Manche nehmen’s mit Humor: „Bestimmt kommen jetzt ganz viele Jugendliche in die Kirche, weil sie auch so ein Sixpack haben wollen wie Jesus!“ Dieser Satz sei beim Anblick des neuen Altartriptychons von Kartlow schon gefallen, erzählt Gemeindepastorin Silke Kühn schmunzelnd. Andere aus der Gemeinde seien begeistert von dem Kunstwerk, dritte eher irritiert. Kurz: Das dreiteilige Bild in der Winterkirche von Kartlow mitten im Pommerschen Kirchenkreis sorgt für Debatten.
Der freischaffende Künstler Thomas Voigtländer, der seit 2018 in der Kirchengemeinde lebt, hat es gemalt. Im zentralen Bild zeigt er Jesus als Auferstehenden: leichtfüßig schwebend, umrahmt von goldgelben Lichtstrahlen und prallen Wolken. Auf dem linken Bild Jesu Taufe durch Johannes den Täufer; rechts die Kindersegnung. Das alles in kräftigen, strahlenden Farben, mit stilistischen Anklängen an niederländische und flämische Renaissance-Künstler, deren Stil Voigtländer in Dresden vor allem studiert hat.
Silke Kühn und der Kirchengemeinderat hatten den Künstler vor eineinhalb Jahren mit dem Gemälde beauftragt, weil die Winterkirche – der Gemeindesaal im frisch sanierten Pfarrhaus – noch so „seelenlos“ gewirkt habe, ohne Bilder am Altar. In den folgenden Monaten suchten sie zusammen mit dem Maler die Szenen aus.
Keine düsteren Bilder erwünscht
Weil der Gemeinderaum auch für Kaffeenachmittage, Gitarrenunterricht, Feste und anderes genutzt werde, „wollten wir nicht so düstere Bilder“, erklärt Silke Kühn. Kreuzigungsszenen seien für viele nur noch schwer zugänglich. „Mit dem zentralen Bild der Auferstehung wollen wir den Sieg Gottes über den Tod verkündigen. Wir wollen das Leben in den Mittelpunkt stellen, das durch das Licht Gottes von Liebe, Kraft und Hoffnung geprägt wird.“ Und statt abstrakter Motive hätten sie sich für konkrete entschieden, damit alle die Bilder verstehen könnten.
Aber ist die Auferstehung nicht noch schwerer zu verstehen als die Kreuzigung? Und ist auf den Bildern nicht alles ein bisschen zu schön, zu positiv? „Einige der älteren Gemeindeglieder fragen, ob das nicht evangelikale Kunst sei“, erzählt Silke Kühn; oder Kunst wie in den Wachturm-Heften der Zeugen Jehovas. Sie und die Kirchenältesten seien überrascht gewesen von diesem Einwand. „Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass die Bilder allen gefallen.“ Zwischendurch seien sie der Gemeinde auch schon gezeigt worden. Aber in gewisser Weise sei die Kritik jetzt gut. „So können wir über Kunst und Glauben ins Gespräch kommen“, sagt die Theologin, die gebürtig aus Siebenbürgen kommt. „Zum Beispiel über die Frage: Was für Gottesbilder haben wir eigentlich und was zeichnet unsere protestantische Kunst aus?“

Unter anderem die Tatsache, dass Jesus auf den Gemälden so durchtrainiert aussieht, wundere viele. „Thomas Voigtländer war es einfach wichtig, schöne Menschen zu malen“, erklärt Silke Kühn. „In der Renaissancekunst, an der er sich orientiert, hatte man die Anatomie entdeckt, die Maler wollten zeigen, dass sie den Körper mit seinen Muskeln und Sehnen darstellen können.“
In welcher Ästhetik und mit welchem theologischen Schwerpunkt eine Gemeinde in Bildern vom Glauben erzählt, kann der Kirchengemeinderat übrigens frei entscheiden – nur bei den „Prinzipalstücken“ einer Kirche, also etwa bei der Gestaltung des Altars selbst, gebe es ein klar beschriebenes Verfahren, heißt es aus der Bischofskanzlei in Greifswald. Üblicherweise werde da ein Künstlerwettbewerb ausgeschrieben und vom Landeskirchenamt der Nordkirche begleitet, erklärt Bischof Tilman Jeremias.
In den Kartlower Gemälden sieht Jeremias eine gute Möglichkeit, über den christlichen Glauben ins Gespräch zu kommen, etwa „anhand der Auswahl der Bildmotive. Hier sind es die Taufe Jesu, die Auferstehung und die Kindersegnung. Für mich gehört aber zum Beispiel auch das Kreuz als zentrales Erkennungszeichen des christlichen Glaubens dazu.“