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Ein israelischer Historiker an Bonner Uni – Ungestörter Vortrag

Er gilt als scharfer Beobachter und Kritiker: der Historiker Moshe Zimmermann. Nun war er zu Gast an der Universität Bonn und stellte dort seine Analysen vor. Er begab sich auch auf die Suche nach Lösungen.

Auch das gibt es in diesen Tagen an einer deutschen Universität: einen weitgehend ungestörten Vortrag eines prominenten israelischen Gastes. Während vor allem in Berlin Veranstaltungen aus dem Ruder gelaufen waren und antisemitische Vorfälle Schlagzeilen gemacht hatten, ging am Dienstagabend in Bonn ein Auftritt des Historikers Moshe Zimmermann problemlos über die Bühne. So ganz geräuschlos verlief er allerdings auch nicht, denn es gab zwei lautstarke Zwischenrufe aus dem Publikum, die sich allerdings nicht gegen Zimmermann persönlich richteten.

Vor dem Hintergrund jüngster Vorgänge an manchen Hochschulen habe man moderate Sicherheitsmaßnahmen ergriffen und in Kontakt mit der Polizei gestanden, sagte die Geschäftsführerin des Zentrums für Religion und Gesellschaft an der Bonner Uni, Barbara Loose. Das Zentrum gehörte zu den Veranstaltern des Vortrags. “Uns war wichtig, dass wir auf alles vorbereitet sind.” Dazu gehörte auch die Präsenz von Mitarbeitern des hauseigenen Sicherheitsdienstes vor und in dem Hörsaal, in dem Zimmermann hinter dem Pult stand.

Ihm lauschten nach Veranstalterangaben knapp 500 Menschen – die große Mehrheit gehörte buchstäblich zu den eher älteren Semestern und war Loose zufolge extern, also nicht Teil der Studierendenschaft. In dem Hörsaal machte sich eine wohltuend ruhige Aufmerksamkeit breit. Das lag vor allem an Zimmermann, der gelassen seinen Vortrag hielt und geduldig die vielen Fragen des Publikums beantwortete.

Trotz aller Unaufgeregtheit war der Historiker (80) auch bei dieser Gelegenheit keineswegs leise in seinen Ausführungen. Ist er doch bekannt als scharfer Beobachter und Kritiker der israelischen Regierung, dessen Analysen durchaus provozieren können. Sein Vortrag trug den Titel “Die Entsäkularisierung des Zionismus. Die unaufhaltsame Machtübernahme durch die israelische Orthodoxie”.

Darin skizzierte er, wie das Religiöse Einzug in eine ursprünglich als säkular gedachte Bewegung hielt, oftmals auf dem Weg von “soft power”: zum Beispiel im Erziehungssystem, im Militär. Hin zu einer Melange aus Ultraorthodoxen und Nationalreligiösen, die auch in der aktuellen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Likud) mitmischen. Zimmermann kritisierte eine Unfähigkeit zu Kompromiss und Verständigung: “Wer im Namen der absoluten religiösen Wahrheit spricht, ist nicht auf Kompromisse aus.”

Angesichts der Lage zeigte sich Zimmermann pessimistisch und betonte zugleich, dass man daraus nicht den Schluss ziehen dürfe, aufzugeben. Nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober in Israel sei vieles sehr viel schwieriger geworden. Der Historiker warf der internationalen Gemeinschaft Versagen vor in der Zeit vor dem 7. Oktober. Es sei kein “Kunststück” zu reagieren und bestürzt zu sein, wenn es brenzlig werde. Wichtig sei, vor einer Krise systematisch zu arbeiten, um etwas zu bewirken. Dies sei Aufgabe der “Freunde Israels”.

Nachdrücklich plädierte Zimmermann für eine Zwei-Staaten-Lösung. Wenn sie nicht komme, sei die Alternative eine wiederkehrende Katastrophe, die Fortsetzung der Besatzung. Unter diesen Bedingungen könne kein Volk auf Dauer leben. Für die Zwei-Staaten-Lösung gebe es bereits ein Fundament, nämlich den UN-Teilungsplan von 1947.

Um am Ende den Faden zu Beginn seines Vortrages aufzunehmen, empfahl Zimmermann der säkularen Bewegung, Vorteile und Errungenschaften ihrer Lebensweise für die Zivilisation herauszustreichen. So könne man gegen die Sichtweise von Religiösen angehen, dass säkular Lebende angeblich Menschen ohne Werte seien.

Nach rund zwei Stunden endete die Veranstaltung. Kurz vor Schluss ertönte der letzte Zwischenruf in Form einer Frage, die eigentlich über einen QR-Code wie alle anderen Fragen auch hätte eingereicht werden müssen. Höflich wies Zimmermann darauf hin, dass er weiterhin auf elektronischem Wege erreichbar und für Fragen ansprechbar sei. Das Publikum erhob sich von seinen Hörsaalklappsitzen und entließ den Historiker unter langem Applaus in den Bonner Abend.