Schoenfeld/Gehren. Wer am letzten Januar-Wochenende einen Blick durch die großen Fenster des Schullandheims in Gehren bei Straßburg geworfen hat, konnte Beobachter eines sonderbaren Schauspiels werden. 31 Menschen waren dort zu sehen, meist sitzend auf Stühlen, mit großformatigen Chorpartituren in den Händen und den Mund meist weit geöffnet. Vor ihnen ein Mann, stehend, und mit den Händen Linien und Bögen in die Luft zeichnend.
Ohne Ton mag diese Szenerie ein wenig skurril angemutet haben, doch hätte man sich hinter die Mauern des Hauses begeben und hätte sich dazugesetzt, so wäre man Zeuge großartiger musikalischer Zusammenarbeit geworden.
Die Damen und Herren sind Uckermärker und Stettiner – zwei Chöre. Der eine ist der Singkreis des Pfarrsprengels Schönfeld, in direkter Nachbarschaft zur Pommerschen Kirchenkreis Pasewalk gelegen. „Wir sind der Dorf in Brandenburg“, sagt Gudrun Dietz, Katechetin und Frau des Pastors in Schoenfeld. Mit Pastor Gienke in Brüssow verbindet sie eine gute Nachbarschaft. Gemeinsame Projekte, auch musikalische, gibt es bisher allerdings nicht.
Chorleiter pendelt zwischen den Ländern
Sehr wohl aber zur polnischen Seite der Grenze. Der andere Chor trägt nämlich den Namen „Vokalensemble Agniculi“ und stammt aus Stettin. Wie diese beiden Sängergruppen so unterschiedlicher Muttersprache zusammenkommen? Lukasz Popialkiewicz ist die Antwort: der 34-jährige Chorleiter, der an einer Stettiner Musikhochschule gerade seinen Doktortitel macht. Er leitet eben einfach beide Chöre.
„Wir haben sehr lange nach einen Chorleiter gesucht“, erzählt Gudrun Dietz. Von Bekannten kam 2015 schließlich der Tipp, es doch einmal in Polen zu versuchen. „Dort gibt es so super ausgebildete Leute!“, schwärmt Dietz. Und siehe da: Lukasz Popialkiewicz hatte Lust auf einen zweiten Chor, den er nun ehrenamtlich nur für eine Aufwandsentschädigung leitet. Für den Schoenfelder Chor gab dies viel Aufwind. Etwa 30 Gemeindeglieder singen mit, auch junge Sänger, 17 und 18 Jahre alt, sind dabei – darunter der Sohn der Familie Dietz. „Und die Jungs ziehen immer noch welche mit“, sagt Gudrun Dietz.
Im Januar trafen sie sich nun also Sänger aus beiden Popialkiewicz-Chören, um die „Markus-Passion” von Reinhard Keiser (1674-1739) zu üben. Es ist ein barockes Werk, was auch für Johann Sebastian Bachs Passionen Inspirationsquelle gewesen ist.