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ARD-Sommerreihe zeigt queere Filme

In der ARD-Sommerreihe laufen ab 26. Juni 14 Filme über das Leben queerer Menschen. Die Auswahl ist facettenreich und bietet mehr als durchschnittliches deutsches Fernsehen.

Der vielfach ausgezeichnete Film "Laurence Anyways" erhielt unter anderem beim Filmfestival in Cannes 2012 die "Queer Palm". Im ARD läuft er am 10. August.
Der vielfach ausgezeichnete Film "Laurence Anyways" erhielt unter anderem beim Filmfestival in Cannes 2012 die "Queer Palm". Im ARD läuft er am 10. August.IMAGO / Capital Pictures

Oft sind es die Blicke, von der Kamera in eindringlichen Aufnahmen eingefangen. Die stechenden, neugierigen oder herabwürdigenden Blicke der anderen. Die Blicke der Protagonistinnen und Protagonisten ins eigene Spiegelbild. Die aus den Augen ihrer Geliebten. Blicke spielen in vielen Filmen der queeren ARD-Sommerreihe eine wichtige Rolle. Sie markieren die Grenzen zwischen der Mehrheitsgesellschaft und einer mal mehr, meistens weniger akzeptierten Gruppe. Und offenbaren zentrale Fragen der queeren Protagonisten: Wie sehe ich aus? Wie reagiert die Gesellschaft auf mich, auf mein Handeln und Erscheinungsbild? Werde ich geliebt, wie ich bin?

Es ist das achte Jahr der vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ins Leben gerufenen Filmreihe, die jeden Sommer ausgehend vom Pride-Monat Juni stattfindet und bei der seit vier Jahren auch der Bayerische Rundfunk ein fester Bestandteil ist. Dieses Jahr beginnt sie am 26. Juni, und erstmals ist auch der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) mit dabei. Eröffnet wird sie mit dem BR-Film „Passages“, einem Beziehungsdrama über eine Ménage-à-trois des renommierten US-amerikanischen Regisseurs Ira Sachs. Mit „Drifter“ endet die Reihe am 31. Juli, dem Debütfilm des Berliner Regisseurs Hannes Hirsch über die Suche eines jungen schwulen Mannes nach sich selbst im Setting des Berliner Nachtlebens.

Filme auch in der ARD-Mediathek zu sehen

Bei sechs der insgesamt vierzehn Filme handelt es sich um deutsche Erstausstrahlungen, drei sind Free-TV-Premieren, alle von ihnen stehen nach ihrer Ausstrahlung für 30 Tage in der ARD-Mediathek. Die Auswahl der Filme sprengt die im deutschen Fernsehen sonst eher vorherrschende Hetero-Norm. Die zeitgenössischen Art-House-Filme sind festivalerprobt, sie brechen nicht selten mit ästhetisch-konventionellen Formen und trauen sich im Erzählstil mehr als der durchschnittliche deutsche Fernsehfilm. Was auch daran liegen dürfte, dass sie aus aller Welt kommen: In diesem Jahr sind neben einer Handvoll deutscher Produktionen auch kanadische, portugiesische oder australische Filme vertreten.

Die am meisten sichtbaren queeren Perspektiven sind auch in dieser Reihe die Perspektiven von Schwulen und Lesben. Eine viel seltener gesehene ist dagegen die von Asexuellen, weshalb der Film „Slow“ (BR, 17. Juli) der litauischen Regisseurin Marija Kavtaradze besonders heraussticht. Ausgezeichnet mit dem Regiepreis beim Sundance-Festival wird der Liebesfilm seinem Namen gerecht. Zart und ruhig zeichnet er ein Bild der Beziehung zwischen Tänzerin Elena und Gebärdendolmetscher Dovydas.

Er übersetzt einen Tanzkurs für Gehörlose, den sie anleitet, und vom ersten Moment an haben sie das Gefühl, sich schon lange zu kennen. Doch während Elena ein aktives Liebesleben gewöhnt war, ist sexuelle Anziehung ein Gefühl, das Dovydas weder kennt noch braucht. Mit viel Geduld begeben sie sich dennoch auf den Weg als Paar, auf der Suche nach einer Form von körperlicher Intimität, die für beide stimmig ist.

Auch das mitreißende Liebesdrama „Laurence Anyways“ (RBB, 10. August) des kanadischen Regisseurs Xavier Dolan behandelt die Höhen und Tiefen eines Paares. Laurence und Fred führen eine erfüllte, schwungvolle Beziehung. Dann outet Laurence sich als trans, möchte endlich als Frau leben. Die beiden bleiben vorerst zusammen, Fred will Laurence unterstützen. Doch der Druck der Gesellschaft und Freds Hadern mit Laurences Transition strapazieren ihre Liebe bis über die Grenze. Der Film brilliert mit temporeichen, mal sensiblen, mal stürmischen Dialogen und einer selten gesehenen Bild- und Klanggewalt, die die extremen Gefühlszustände der Hauptfiguren kraftvoll illustriert. Der vielfach ausgezeichnete Film erhielt unter anderem beim Filmfestival in Cannes 2012 die „Queer Palm”.

Eigene Perspektive der queeren Community

Einen „bunten Strauß queerer Lebensentwürfe” nennt Till Burandt von Kameke, der beim RBB-verantwortliche Filmredakteur, die Reihe. Er und sein Team hatten schon 2018 festgestellt, dass das queere Kino im öffentlich-rechtlichen Fernsehen unterrepräsentiert ist. „Dem wollten wir Abhilfe schaffen“, sagt von Kameke heute.

Ein Ausgangspunkt ihrer Überlegungen sei aber auch das Selbstverständnis des Auftrags öffentlich-rechtlichen Fernsehens gewesen. „Queeres Leben ist fester Bestandteil der Gesellschaft. Wir machen Programm für alle, da hat die queere Community Anspruch darauf, ihre Lebenswelten auch im fiktionalen Bereich wiederzufinden – bestenfalls aus ihrer eigenen Perspektive“, so von Kameke.