Die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst hat einheitliche Standards bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gefordert. „Es darf keine Rolle spielen für eine betroffene Person, ob sie aus Bayern stammt oder aus der Nordkirche“, sagte sie am Freitag in Hannover zum Abschluss eines Fachtags des Forschungsverbunds zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland (ForuM). Dabei gehe nicht darum, den Föderalismus in der Kirche abzuschaffen: „Aber es muss doch um Himmels willen möglich sein, zu einheitlichen Standards zu kommen.“
Am Donnerstag hatte der interdisziplinäre Forschungsverbund seine Studie über Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in der EKD und der Diakonie vorgelegt. Seit 2020 hatten die Forscher von acht deutschen Universitäten und Instituten Ergebnisse gesammelt über die Häufigkeit von sexualisierte Gewalt, ihre Ursachen und den Umgang mit Betroffenen. Die Forscher rund um Studienleiter Martin Wazlawik fanden für die Zeit seit 1946 mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 mutmaßliche Täter.
Kirchenpräsidentin Wüst mahnte zugleich einen „Kulturwandel“ in der evangelischen Kirche an. Offenbar sei noch nicht überall das Bewusstsein dafür angekommen, „dass wir es wirklich mit einer zentralen Aufgabe zu tun haben“. Dieses Bewusstsein müsse jetzt in die Gemeinden und Einrichtungen hineingetragen werden. Der Schutz vor sexualisierter Gewalt müsse „zu unserem Sein als Kirche dazugehören“.
Sie sehe auch großen Handlungsbedarf bei theologischen Fragen, sagte Wüst weiter. Sie sei erschüttert, wenn Betroffene ihre Geschichte erzählten und dann als erstes hörten, dass sie vergeben sollten. Die Perspektive der Betroffenen müsse in der Kirche zentral sein.