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Die Veränderungen begleiten

Das Evangelische Erwachsenenbildungswerk Westfalen und Lippe (EBW) feiert am 11. Dezember sein 40-jähriges Bestehen

Aus Anlass des Jubiläums sprach Gesine Lübbers mit der Geschäftsführerin des EBW, Pfarrerin Antje Rösener, über Geschichte, Wandel und Zukunft der evangelischen Bildungsarbeit.

Frau Rösener, herzlichen Glückwunsch zum runden Geburtstag. Wann genau ist das EBW denn gegründet worden?
Seit dem 1. Januar 1975 sind wir anerkannte Einrichtung der Weiterbildung nach dem Weiterbildungsgesetz in NRW. Das heißt, dass wir – ähnlich wie z. B. die Volkshochschulen – auch vom Land NRW erhebliche Zuschüsse bekommen und diese nach dem Gesetz abrechnen müssen. Die Politik in NRW hat sich damals dafür starkgemacht, dass gute Weiterbildung professionelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter braucht, und für diese auch Geld zur Verfügung gestellt. Natürlich haben wir auch viele ehren- und nebenamtliche Kursleitende, aber ohne Hauptamtlichkeit geht professionelles Bildungsmanagement nicht mehr.

Gab es vorher andere Einrichtungen, die evangelische Bildungsarbeit betrieben haben?
Ja, natürlich, wir sind ja nur ein Zusammenschluss der Einrichtungen und Kirchenkreise, die Erwachsenenbildungsveranstaltungen im öffentlichen Raum anbieten. Es gab damals z.B. die evangelische Akademie Iserlohn und das Sozialamt in Villigst. Mit unserem Verein haben wir die kirchlichen Akteure an einen Tisch gebracht. Unser Leitbild sagt: „Wir sind ein solidarischer Zusammenschluss evangelischer Einrichtungen der Weiterbildung in Westfalen und Lippe. Wir vertreten gemeinsam evangelische Erwachsenenbildung in Kirche und Gesellschaft.“ Fast alle Kirchenkreise sind Mitglieder im Ev. Erwachsenenbildungswerk Westfalen und Lippe e.V., insgesamt haben wir verteilt über die Landeskirche ca. 85 hauptamtliche pädagogische Mitarbeitende.

Wie ging es nach der Gründung weiter?
Eines der herausragenden Angebote war das Fernstudium Erwachsenenbildung, das in 25 Jahren fast 1600 Personen absolviert haben. Vor allem Frauen nutzten das Angebot, um sich ehrenamtlich in der Gemeinde zu betätigen oder dann auch in den Beruf wieder einzusteigen. In den Gemeinden gab es damals noch viel mehr Gruppen, die sich inhaltlich Themen erarbeitet haben. Manch eine Absolventin des Fernstudiums hat es sogar bis in die Kirchenleitung geschafft. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass dieser zweijährige Kurs ein effektives Förderinstrument für Frauen war. Ich habe ihn übrigens selber gemacht als junge Pastorin. Er hat mir die Augen geöffnet für die Potenziale einer guten Pädagogik in der Gemeindearbeit.

Gibt es das Fernstudium Erwachsenenbildung noch?
Nein, wir haben es 2005 eingestellt. In der Erwachsenenbildung ist das so: Alles hat seine Zeit. Qualifikationen, die über einen langen Zeitraum nachgefragt werden, laufen irgendwann aus. Dann ist was anderes dran. Wir müssen mit der Zeit gehen. Viele Menschen suchen heute kürzere Fortbildungen. Allerdings, man darf niemals nie sagen, denn wir haben dann ja 2001 z. B. mit der Ausbildung für Kirchenführungen begonnen, die sich über 15 Monate erstreckt, mit Prüfung und allem Drum und Dran. Und die läuft immer noch.

Was hat sich in den vergangenen 40 Jahren noch verändert?
1975 gab es viel mehr Selbsterfahrungskurse. Dass man sich traf, um über Erziehungsfragen, persönliche Probleme und so zu reden, das war neu. Es war außerdem eine sehr politische Zeit, wir hatten die Friedensbewegung, danach kam die Frauenbewegung. Solch große gesellschaftliche Bewegungen hatten wir Anfang dieses Jahrtausends nicht. Im letzten Jahr hat sich das allerdings geändert.
Viele unserer 85 hauptamtlichen Mitarbeitenden sind jetzt stark gefragt in der Qualifizierung und Begleitung der Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsarbeit. Wie ist die Gesetzeslage? Welche Religionen bringen die Menschen mit? Wie erkenne ich Traumatisierungen oder organisiere ich ein Sprach-Café – das sind so Themen, die uns jetzt beschäftigen.
Wir sprechen vom „Bildungsmanagement“. Das können wir. Wir identifizieren Themen, die wichtig sind für die Menschen, für Kirche und Gesellschaft und dann organisieren wir bedarfsgerechte Veranstaltungen. Sprach- und Integrationskurse für Flüchtlinge gehören übrigens auch dazu. Da gibt es sehr schöne Kooperationen mit Gemeinden vor Ort.

Ist das nicht anstrengend, immer wieder neue Themen aufzugreifen?
Einerseits schon, aber andererseits haben alle unsere Kolleginnen und Kollegen auch so viele Netzwerkpartner, dass man immer schon Fachleute kennt oder dann mit anderen Organisationen zusammenarbeiten kann. So erreichen wir auch Teilnehmende, die sonst mit Kirche kaum in Berührung kommen.
Und darüber hinaus muss man experimentieren: Wir starten häufig Versuchsballons wie z.B. das Oldtimerpilgern oder die Poetry-Slam-Abende mit der Reinoldikirche in Dortmund. Manches klappt nicht, über anderes wird die Nase gerümpft und einiges läuft viel besser als erwartet. So ist das. Neue Dinge entstehen nur, wenn man sie probiert.

Was ist das Evangelische an dieser „kirchlichen VHS“, wie Sie das EBW manchmal bezeichnen?
Natürlich ganz klar, dass wir auch Bildungsangebote im Bereich der religiösen Bildung vorhalten. Das ist unser zentrales Anliegen, zumal das sonst niemand macht. Ich denke an viele Pilgerangebote, Einkehrtage oder Veranstaltungen zum interreligiösen Dialog. Aber unsere religiösen und ethischen Grundhaltungen sind darüber hinaus in vielen Formaten der kulturellen und politischen Bildung wiederzufinden. Ich denke etwa an eine Veranstaltung 2016 mit der Slow Food Bewegung, die sich selbst ja auch als politische Bewegung versteht. Da gibt es viele Gemeinsamkeiten mit dem kirchlichen Engagement für einen gerechteren weltweiten Handel.
Nicht zuletzt bieten wir auch Weiterbildungen für Mitarbeitende in der Kirche an. Gerade erst ist ganz neu unser Flyer mit Angeboten für Gemeindepädagogen erschienen. 2015 war ein Angebot zu Rechtsfragen rund um das Internet stark nachgefragt. Die Ideen gehen uns nicht aus, denn die Welt verändert sich und diese Veränderungen begleiten wir mit unserer Bildungsarbeit.