Was heißt und zu welchem Ende studiert man Theologie? Diese Frage, eine Abwandlung des Titels der Antrittsvorlesung von Friedrich Schiller 1789 in Jena, stellen sich zu Beginn des Sommersemesters auch neue Studierende der Evangelischen Theologie. Gunnar Lammert-Türk hat die beiden Berliner Theologiestudenten Joscha Mayer und Ruben Burkhardt getroffen. Im Interview berichten sie von ihrer Motivation, ihren Idealen und warum das Theologie – studium nicht auf den Pfarrberuf vorbereitet.
Joscha und Ruben, was war Euer Beweggrund, Theologie zu studieren?Joscha Mayer: Mein Vater ist Gemeindediakon und ich habe bei ihm in der Jugendarbeit viel mitgearbeitet. Da hat es angefangen, dass mir diese Arbeit und das Christentum am Herzen liegen, und das wollte ich weitertragen. Hinzu kam, dass mich das Theologiestudium fachlich interessiert hat, vor allem die Breite, die es bietet.
Ruben Burkhardt: Mein Vater ist Pfarrer, ich bin also auch kirchlich angebunden gewesen. Aber das ist mein Zweitstudium, ich habe vorher einige Semester Physik studiert. Es hat sich dann herauskristallisiert, dass ich für den Pfarrberuf besser geeignet bin als dafür, in Laboren zu hocken, weil es ein Beruf ist, der mit Menschen zu tun hat. Als ich angefangen habe, Theologie zu studieren, war klar, dass ich Pfarrer werden möchte.
War das bei Dir auch so, Joscha?
Joscha Mayer: Für mich war lange unklar, was ich nach dem Studium machen möchte. Mittlerweile möchte ich auf jeden Fall ins Pfarramt gehen. Ich habe vor allem durch das Gemeindepraktikum einen Motivationsschub für den Pfarrberuf bekommen. Ich habe es in Nürnberg absolviert, im Stadtteil St. Johannis. Das ist eine große Stadtgemeinde mit 8 500 Gemeindegliedern. Da war natürlich viel los. Ich habe dort viele verschiedene Felder des Pfarrberufs kennengelernt, weil fünf Pfarrpersonen dort gearbeitet haben und man konnte bei jedem mal reinschnuppern.
Was sind Eure Ideale für den Pfarrberuf?
Joscha Mayer: Grundsätzlich hat man ein bisschen die Befürchtung, dass man als Pfarrer der Depp vom Dienst ist, der Mann für alles. Ich glaube aber, dass es mittlerweile profiliertere Aufgaben für einzelne Pfarrpersonen und einzelne Gemeinden gibt. Das ist mein Ideal vom Pfarrerdasein, dass der Pfarrer sein spezielles Gebiet hat und darin aufgeht und richtig viel investieren kann und vielleicht anderen Gemeinden, anderen Pfarrern andere Aufgaben überlässt, dass es so eine gute Arbeitsteilung gibt.
Ruben Burkhardt: Für mich ist wichtig, dass ich das, was ich lehre, auch selber vertrete, dass ich ehrlich bin und ein Stück weit Vorbild sein kann. Und das zweite Ideal, das ich habe, ist, dass man neue Dinge ausprobiert und experimentell tätig ist. Ich finde es enorm wichtig, mit den Leuten gemeinsam herauszufinden, was sie wirklich reizt und sie so hinterm Ofen hervorholen kann.
Was haltet Ihr für besonders wichtig für die Arbeit als Pfarrer?
Ruben Burkhardt: Die Kirche muss noch näher in die Lebenswelt der Menschen hineinrücken. Sie sollte mit ihnen eine Idee vom Glauben und vom christlichen Lebensstil entwickeln und sie befähigen, das auch umzusetzen. Der Glaube erschöpft sich ja nicht im Sonntagsgottesdienst. Er kann eine Kraftquelle und eine wichtige Komponente im Alltag sein. Diese Verbindung muss neu entdeckt werden, damit der Glaube als selbstverständlicher Teil des Lebens wahr – genommen wird.
Joscha Mayer: Es sollte viele Angebote geben für verschiedene Frömmigkeitsrichtungen. Und die Kirche muss offen sein für das, was in der Gesellschaft vorgeht. Sie soll sich aber nicht zu sehr anpassen an das, was gerade angesagt ist. Sie darf sich nicht anbiedern. Sie muss auch dazu stehen, dass es ihr um das Göttliche geht. Da können wir vielleicht ein bisschen mehr Profil zeigen.
Inwieweit, meint Ihr, bereitet das Theologiestudium auf das Pfarramt vor? Und was muss auf anderem Weg, nach dem Studium oder parallel dazu erworben werden?
Joscha Mayer: Ich sehe das nicht so, dass es die Aufgabe der Universität ist, mich zum Pfarrer auszubilden. Das findet im Vikariat statt. Beim Studium geht es vor allem um eine Art des Denkens, eine Art, mit Texten, mit Philosophie und mit Sprachen umzugehen, darum, ein Weltbild zu erstellen, eine Theologie vielleicht selbst zu entwickeln. Da hilft das Studium und das hilft letztendlich auch beim Pfarramt.
Aber es bereitet nicht direkt auf den Pfarrberuf vor. Da fehlt einiges. Wir haben keine pädagogische Ausbildung, wir haben keine betriebswirtschaftliche Ausbildung. Wenn ich mein Examen habe, dann bin ich noch nicht vorbereitet für den Pfarrberuf. Deshalb ist es gut, während des Studiums ehrenamtlich in einer Kirchengemeinde mitzuarbeiten. Dann sieht man auch mal die andere Seite. Später ist man Hauptamtlicher und wenn man sich in einen Ehrenamtlichen hineinversetzen kann, ist das Gold wert.
Und wie siehst Du das, Ruben?
Ruben Burkhardt: Es ist ein akademisches Studium, was unglaublich spannend und vielseitig ist. Das Studium zielt nicht darauf ab, all das Wissen, was wir angehäuft haben – und von dem ich nichts missen möchte – mit dem heutigen Leben in Verbindung zu bringen. Das istabsolut notwendig und auch möglich. Da gibt es zwar positive Gegenbeispiele, im Neuen und im Alten Testament, wo das als Predigtinhalt zum heutigen Leben in Beziehung gesetzt oder eine lebensnahe Exegese betrieben wird. Aber das ist viel zu selten. Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit historischen Inhalten und seltener mit der heutigen Welt.