Pfarrerin auf Augenhöhe
Carmen Khan ist neue Pfarrerin an der Flüchtlingskirche in Berlin
Von Marina Mai
Carmen Khans Vater war Pfarrer, die Mutter, eine studierte Theologin, die meiste Zeit ihres Lebens Pfarrfrau. So hätten es die Leute in Württemberg erwartet, wo die 38-Jährige geboren wurde und aufwuchs. „Das hat mich tief geprägt. Aber meine Eltern haben mich nicht zur Pfarrfrau erzogen“, sagt Carmen Khan.
Sie studierte Theologie, wurde nicht Pfarrfrau, sondern Pfarrerin und ist seit März Berlins neue Flüchtlingspfarrerin in der Flüchtlingskirche in der Wassertorstraße in Berlin-Kreuzberg. Ihre Wunschstelle. Doch Carmen Khans Weg zur Flüchtlingspfarrerin war steinig.
Keine Ehe mit einem Nicht-Christen
2011 heiratete sie ihre große Liebe, einen Betriebswirtschaftler aus Bangladesch, einen Muslim. Die Eheschließung war unumgänglich, um mit ihm zusammenleben zu können. Denn ohne Eheschließung wäre sein Aufenthaltsrecht nicht verlängert worden. Doch die Ehe mit einem Nicht-Christen verstieß gegen die Regel im Kirchenrecht in Württemberg, wonach eine Pfarrerin oder ein Pfarrer nur einen christlichen Partner oder eine christliche Partnerin heiraten darf. Die Vikarin wurde fristlos aus dem Kirchendienst entlassen.
Carmen Khan hatte bei der Kirchenleitung einen Ausnahmeantrag gestellt. Das wäre juristisch möglich gewesen. Sie hatte erwartet, zumindest ihr Vikariat beenden zu dürfen. Doch die Kirche entschied anders. Nachdem der Fall durch die Klage bei Gericht öffentlich geworden war, erhielt sie die Möglichkeit, ihr Vikariat in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) fortzusetzen. Hier ist die Auslegung des Kirchenrechts liberaler. Es folgten befristete Pfarrstellen in Lichtenrade, Mariendorf und zuletzt in Neukölln. Als Kreisjugendpfarrerin entwickelte sie dort während der Coronapandemie digitale Seelsorgeangebote.
Auf ihren bisherigen Stellen hätte sie gemerkt, dass das Thema Flucht sie anzieht, sagt Carmen Khan. „Ich habe in Notunterkünften für Flüchtlinge im Einzugsbereich meiner Gemeinden mit Flüchtlingskindern gearbeitet. Die Frage, was die jeweilige kulturelle Prägung für das Zusammenleben bedeutet, ist mir über meinen Mann ohnehin präsent.“
In der Flüchtlingskirche, in der es vor allem Beratungsangebote für Geflüchtete gibt, sieht die Pfarrerin sich neben den Berater*innen als die „Zuständige für die Ratlosigkeit, für die Spiritualität“, wie sie sagt. Mit den Gästen der Kirche und den Mitarbeitern kommuniziert die Pfarrerin auf Augenhöhe. Sie will keinen normalen Sonntagsgottesdienst anbieten, keine Gemeinde für christliche Geflüchtete aufbauen. „Denn die Menschen sollen nicht ihr Leben lang Flüchtlinge bleiben und sich besser anderen Gemeinden anschließen.“
Traueraltar ohne christliche Symbolik
Hingegen will sie neben dem Altar einen Traueraltar ohne christliche Symbolik aufbauen. Dazu laufen bereits konkrete Vorbereitungen mit einer Künstlerin. „Das Thema Trauer gehört leider ja zur Flucht und das gilt für Angehörige aller Religionen.“ Weder eine Bibel soll dort ausliegen noch eine andere heilige Schrift.